Bereits am 21.September habe ich die GRAMMER AG neu in mein Wikifolio aufgenommen, nachdem ich mich mit dem Unternehmen aus Amberg/Bayern zuvor ausführlich beschäftigt hatte. Die Gründe für den Kauf sowie die Bewertung der zuletzt veröffentlichten Q3-Zahlen möchte ich heute nachreichen.
GRAMMER ist laut eigenen Angaben spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Systemen für die Pkw-Innenausstattung sowie von Fahrer- und Passagier-Sitzen für Traktoren, Stapler, Baumaschinen, Lkw, Busse und Bahnen. Damit unterteilt sich das Geschäft in zwei Bereiche: "Automotive" und "Seating Systems".
Was zunächst nach einem unspektakulären Zulieferprodukt klingt, ist bei genauerer Prüfung Hightech für mehr Komfort und Sicherheit. Dies trifft sowohl auf die im Segment "Automotive"
hergestellten Mittelkonsolen, Armlehnen und Kopfstützen zu, als auch auf die im Segment "Seating Systems" produzierten Sitze, die auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnitten werden und
umfangreiche Tests bestehen müssen. Daher ist das Knowhow von GRAMMER wichtig für die Fahrzeug-Hersteller, denn bei sicherheitsrelevanten Komponenten möchte niemand ein Fiasko erleben, so
wie es derzeit bei Airbags des Zulieferers TAKATA in den Medien nachlesbar ist.
KAUFEN BEI GEGENWIND
Wie ich bereits in meinem Artikel zu Leoni ausgeführt habe, kaufe ich Aktien bevorzugt dann, wenn einerseits die fundamentale Bewertung angemessen erscheint und andererseits Gründe vorliegen, die dem Unternehmen momentan Probleme bereiten und den Kurs nach unten gedrückt haben. Die GRAMMER-Aktie stürzte seit dem Sommer regelrecht ab, da ein deutlicher Einbruch beim Absatz von Nutzfahrzeugen und Baumaschinen in Brasilien und in China vermeldet wurde. Damit war offensichtlich, dass das EBIT in 2015 nicht steigen, sondern zurückgehen würde. Ab Mitte September kamen die Aktien aller Automobilzulieferer zusätzlich unter Druck, weil die als Dieselgate bekannte Affäre ihren Anfang nahm. Dabei wurde kaum differenziert, inwieweit die jeweilige Firma mit dem VW-Konzern Geschäfte betreibt und ob ein möglicher Rückgang bei VW durch Marktanteilsgewinne anderer Hersteller für den Zulieferer letztendlich verkraftbar sein könnte. Der Kurs der GRAMMER-Aktie fiel zeitweise unter 20 Euro, das heißt hatte sich glatt halbiert:
Demgegenüber stand ein Unternehmen, das bereits auf meiner Watchlist war, da es sich erfolgreich am Markt behauptet hatte. Verluste wurden zuletzt 2009 geschrieben, wie die 15-Jahressicht auf ARIVA.de hier zeigt, konnte der Umsatz seit 2000 bis 2014 glatt verdoppelt werden (was einer Wachstumsrate von 5% p.a. entspricht). Der Jahresüberschuss ist volatiler und beträgt im Mittel ca. 2% des Umsatzes, die Eigenkapitalrendite ist nicht spektakulär aber im Mittel über 10%. In der auf der Webseite abrufbaren Unternehmenspräsentation ist das folgende 5-Jahres-Chart enthalten, ebenso die Aussage, dass man langfristig ein organisches Umsatz-Wachstum um 5% pro Jahr und eine EBIT-Rendite größer 5% anstrebt. Aufgrund der Daten aus der Vergangenheit habe ich keinen Grund an der Durchführbarkeit dieser Ziele zu zweifeln:
GRAMMER ist als Automobilzulieferer natürlich eine zyklische, volatile Aktie. Daher müssen Investoren bereit sein, diese Kursschwankungen auszuhalten und es wäre vorteilhaft, wenn es weitere Argumente und Katalysatoren gäbe, die den Aktienkurs nach unten absichern bzw. mittelfristig eine Wende zu höheren Kursen ermöglichen können.
Ende September war für mich der Punkt erreicht, wo ein Kauf gerechtfertigt erschien:
- Für 2015 wurde ein Umsatz von 1.4 Mrd. Euro und EBIT von 42 Mio. Euro prognostiziert, was in etwa einem Ergebnis je Aktie von rund 2 Euro entspricht.
- Bei einem Kaufkurs von ca. 21 Euro, lag das KGV knapp über 10 und das KBV bei rund 1. Das pufferte das Risiko nach unten ab.
- Die negative Entwicklung im Bereich Nutzfahrzeuge (Abschwung in Südamerika und China von ca. 30% in 2015) war bereits bekannt.
- Der Aufsichtsrat Klaus Probst hatte im Juni und August 2015 massiv Insiderkäufe getätigt. Da er als ehemaliger LEONI CEO Einblick in die Branche und Geschäftsmodelle hat, für mich ein Hinweis, dass kein langfristig wirkendes Problem vorlag.
- Anfang September vermeldete man außerdem den Eingang eines Großauftrages für Sitze für Baumaschinen aus den USA (Caterpillar).
Da ich ausserdem der Meinung war, dass GRAMMER durch Dieselgate kaum betroffen ist, und das sich der Gegenwind im Bereich "Seating Systems" mittelfristig auch wieder legen wird, ja aufgrund von Investitionen in die Infrastruktur weltweit vielleicht sogar in einen Rückenwind verwandeln kann, habe ich die Aktie gekauft.
Q3-ZAHLEN und AKTUELLES
GRAMMER hat am 4.11. die Zahlen für die ersten 9 Monate veröffentlicht (Link). Es wurde von einem um 15% gestiegenen Umsatz im Bereich "Automotive" berichtet, der von steigenden Neuzulassungen und neuen Produktanläufen profitierte. Das Segment "Seating Systems" hingegen schrumpft um ca. 7%, da die wichtigen Märkte Brasilien und China immer noch rückläufig sind, was die positiven Zahlen aus Westeuropa und USA nicht wettmachen können.
Der Konzernumsatz nach 9 Monaten erreichte ca. 1 Mrd. Euro (+6%), das EBIT lag bei knapp 30 Mio. Euro (-13 Mio. oder -31%). Die Zahlen lagen also im Rahmen der Erwartungen und die Prognose von ca. 1.4 Mrd. Euro / 42 Mio. Euro für 2015 wurden aufrechterhalten. Der Kurs der Aktie hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf 25 Euro erholt und kam in Folge nur schwach unter Druck. Aktuell steht er bei ca. 23.30 Euro oder 10% im Plus im Vergleich zum Kauf. Ich rechne allerdings mit weiterer Volatilität und plane einen weiteren Nachkauf ein. Analysten verschiedener Banken haben Kursziele von 30 bis 32 Euro verkündet, da ich aber plane dabei zu sein, wenn der Bereich "Seating Systems" dreht, erscheint mir momentan eine Prognose auf Sicht von 12 bis 18 Monaten gar nicht sinnvoll oder möglich.
Last but not least berichtete das Unternehmen auch von einem Zukauf - der REUM Gruppe - die eine Verstärkung auf dem Gebiet hochwertiger Interieurlösungen darstellt und sowohl das Produkt-Portfolio ergänzt als auch die technologische Basis für Spritzguss und Oberflächen-Veredelung (Kunstoffe und Metallteile) stärkt. Also heißt es Platz nehmen in Sitzen von GRAMMER und abwarten, wohin die Reise geht !
Disclaimer: Die Daten wurden sorgfältig recherchiert und stammen von der Unternehmens-Webseite und öffentlich zugänglichen Quellen. Trotzdem stellt die Analyse lediglich die persönliche Sicht des Autors dar und kann fehlerhaft sein. Vor jeder Anlageentscheidung sollten Leser sich daher selbstständig über die besprochene Aktie informieren und eigenständig entscheiden. Der Autor weist darauf hin, dass er die im Artikel besprochene Aktie im Privatportfolio und -wikifolio hält und sie jederzeit und ohne darüber zu informieren zu- oder verkaufen könnte.
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