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Abengoa: one more time

Abengoa hat vor einer Woche die Q3-Zahlen veröffentlicht, außerdem gab es erneut zahlreiche Meldungen zu gewonnenen Aufträgen. Auf die Durchführung der im August angekündigten Kapitalerhöhung um 650 Mio. Euro wartet man bisher vergebens. Kurz vor Bekanntgabe der Zahlen wurde ein neuer, potentieller Investor präsentiert, der ca. 350 Mio. Euro investieren will und danach einen Anteil von 28% an Abengoa halten würde (Quelle). Es handelt sich um die Gonvarri-Gruppe aus Spanien. Ist das nun die Wende zum Guten und zeigen die Q3-Zahlen, daß man die Probleme in den Griff bekommt?


Abengoa: Solarturm-Kraftwerk (Solarthermie)
Abengoa: Solarturm PS20, Solucar nahe Sevilla, Spanien

Rückblick: 

Dem Unternehmen habe ich seit 2014 bereits mehrere Artikel gewidmet, die ihr unter den Links nachlesen könnt, wenn ihr die Details und Entwicklung nachvollziehen wollt:

   1) Sonnenuntergang oder Morgenröte?

   2) International erfolgreich

   3) Neues Management - alte Fehler

Der aktuelle Beitrag baut auf diesen Analysen auf, daher steigen wir sofort mit den Q3-Zahlen ein, ohne lange Vorrede. 


Bild- und Artikelquellen: Abengoa (Unternehmens-Webseite) sowie Reuters und Bloomberg


Q3-Zahlen

Die Abengoa-Zahlen (Download-Link der Präsentation) zeigen einen deutlichen Abschwung, wenn man sie im Vergleich zum Vorjahr und zum vorhergehenden Quartal betrachtet. Nur in der Summe für 9 Monate fällt dies nicht so deutlich auf.

  • Umsatz in Höhe von 1483 Mio Euro, was einen Rückgang von 20% zum Q2 und von 17% zum Vorjahres-Q3 darstellt, auf Basis 9 Monate lediglich -4%
  • Konzern EBITDA von 158 Mio. Euro, was einen Rückgang von 35% zum Q2 und von 14% zum Vorjahres-Q3 bedeutet, auf Basis 9 Monate noch +4%
  • Netto-Ergebnis von -266 Mio. Euro, nach 6 vorhergehenden positiven Quartalen (durchschnittlich +33 Mio. Euro), auf Basis 9 Monate ein Ergebnis von -194 Mio. Euro

Das Management wählte für seine Darstellung die 9 Monatssicht und ergänzt zum negativen Netto-Ergebnis, dass es von der vorgenommenen Abschreibung auf die Abengoa-Yield Beteiligung in Höhe von -198 Mio. Euro "wesentlich" beeinflusst wird. Nicht falsch, aber sicher zu positiv dargestellt. Denn es verbleibt selbst ohne diesen Einmaleffekt eine Lücke von 100 Mio. Euro, denn das 9-Monats-Netto-Ergebnis war im Vorjahr nicht Null !

 

Weiter berichtet man, dass die Liquiditätsposition unter der verschlechterten "Reputation am Kapitalmarkt" gelitten hat, allerdings dürfe man im Conference Call keine Fragen zur Kapital-Erhöhung oder zum Einstieg der Gonvarri-Gruppe beantworten! Den Verlust der Reputation hatte man dabei selbst verursacht, indem man zum Q2 mit den Investoren Katz und Maus spielte (ausführlicher in diesem Link), doch jetzt herrscht plötzlich Kommunikationssperre, wenn es um die Reputation des Unternehmens geht? Sicher ist es für Abengoa im derzeitigen Umfeld nicht einfach, wie für alle Aktien aus dem Bereich Versorger/erneuerbare Energien: erst hoch gelobt für die Ausgliederung einer Yieldco, dann kritisiert für die Art und Weise, wie Schulden/Cash Flow/Gewinne erzielt werden- aber das ist nur eine Seite der Medaille. (Interessante Hintergrund-Artikel dazu auf Forbes, am Beispiel SunEdison und dessen Yieldcos: Link1, Link2). 

 

Doch weiter zu den Zahlen:

  • Konzern Free Cash Flow nach 9 Monaten erreicht -597 Mio. Euro, das heißt ein massiver Abfluss von Kapital, allein aus dem Working Capital (WC) im Q3 von -412 Mio. Euro
  • Einige WC-Facilities sind laut Kommentar "on hold" oder "standby" (im Klartext: einige Banken sind nicht mehr bereit, liquide Mittel bereitzustellen.)
  • Kurzfristig liquider Cash nur noch in Höhe von ca. 350 Mio. Euro, ein Großteil der finanziellen Mittel gebunden als Sicherheiten oder für Zulieferer.
  • Würde man pro-forma die Kapitalerhöhung (Nettoerlös von 620 Mio. Euro) und den ROFO4-Verkauf (Nettoerlös von 65 Mio. Euro) von der Nettoverschuldung des Unternehmens per Ende September in Höhe von 3.2 Mrd. Euro abziehen, stünde man bei ca. 2.5 Mrd. Euro.
  • Das ist immer noch höher als zum Ende 2014 (2.4 Mrd. Euro) und entspricht einem Hebel Net Debt/EBITDA von 2.6x. Defakto ist man also 2015 nicht vorangekommen!

Insofern verwundert es mich nicht, dass nach diesen Zahlen der Einstieg von Gonvarri (der noch unter Vorbehalt steht, dass die Banken mitziehen) von vielen Bond-Investoren nicht mehr als die Lösung der Liquiditätsprobleme gesehen wird oder gar als vollständige Wiederherstellung der Refinanzierungsfähigkeit, sondern als Tropfen auf dem heißen Stein. Das bringt der Artikel auf REUTERS deutlich zum Ausdruck: Abengoa bonds slip after working capital issues outlined und auch die wieder fallenden Bondkurse.

 

Last but not least stört es mich auch, dass man nur in einer Fußnote erfährt, dass die derzeitigen vertraglichen Bedingungen für das Fremdkapital (die sogenannten Bond-Covenants) einen maximalen Hebel von 2.3x für Net Dept/EBITDA verlangen. Da dieses Level selbst nach der Kapitalerhöhung nicht erreicht wird, ist Abengoa vollständig in der Hand der Banken und Gläubiger. Doch dazu kein Wort im Conference Call ...


FAZIT

Die Q3-Zahlen und die gegebenen Erläuterungen überzeugen mich nicht. Die Zahlen zeigen, dass die Bilanzprobleme nun das Tagesgeschäft behindern und die Liquidität angespannter denn je ist. Der Einstieg von Gonvarri wäre positiv, steht aber unter dem Vorbehalt, dass die Banken mitziehen und sogar ein deutlich ausgeweitetes Finanzpaket schnüren. Außerdem weiß man schon heute, dass die Kapitalerhöhung nur ein Tropfen auf dem sprichwörtlich heißen Stein darstellt, wenn man die Fußnote gelesen hat! Es stößt mir sauer auf, wie die Zahlen präsentiert wurden und wie die Probleme totgeschwiegen, klein geredet oder beschönigt werden. Daher werde ich die Aktie nun verkaufen, auch wenn die Assets und Projekte die Abengoa besitzt, betreibt oder entwickelt, eigentlich werthaltig sind. 

 

Disclaimer: Die Daten wurden sorgfältig recherchiert und stammen von der Unternehmens-Webseite und öffentlich zugänglichen Quellen. Trotzdem stellt die Analyse lediglich die persönliche Sicht des Autors dar und kann fehlerhaft sein. Vor jeder Anlageentscheidung sollten Leser sich daher selbstständig über die besprochene Aktie informieren und eigenständig entscheiden. Der Autor weist darauf hin, dass er die im Artikel besprochene Aktie im Privatportfolio und -wikifolio hält und sie jederzeit und ohne darüber zu informieren zu- oder verkaufen könnte.  


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Kommentare: 6
  • #1

    Christian (Mittwoch, 25 November 2015 22:12)

    Vor solchen Situationen habe ich auch schon gestanden und ich weiß wie sich das anfühlt. Letztlich hilft aber nur Konsequenz. Abengoa ist meiner Meinung nach das klassische Beispiel einer Valuetrap und man wird diese Fallen vermutlich niemals komplett vermeiden können. Das gehört hält zum Geschäft.

  • #2

    Tobi (Donnerstag, 26 November 2015 14:04)

    Hi, sehr treffend analysiert und eigentlich auch rechtzeitig - warum hast du den Wert dann nicht auch gleich im Wikifolio verkauft? Ich hätte hier wahrscheinlich längst das Interesse verloren gehabt, schlechte Nachrichten kommen wahrscheinlicher als man denkt...
    http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/erneuerbare-energien-abengoa-vor-dem-aus-13932182.html

  • #3

    Covacoro (Donnerstag, 26 November 2015 18:10)

    Abengoa hat am Mittwoch vorläufigen Gläubigerschutz angemeldet, da der Investor abgesprungen ist! Nun wird man sehen, ob ein weißer Ritter auftaucht oder alles den Bach runtergeht.

  • #4

    Covacoro (Donnerstag, 26 November 2015 18:15)

    @Tobi:
    Ich habe einen identischen Limit-Verkaufsauftrag in meinem Depot (Handelsplatz: Börse Frankfurt) und im Wikifolio (zwangsweise Handelsplatz Lang&Schwarz) eingestellt. Der in Frankfurt wurde am Montag anstandslos ausgeführt! Lang&Schwarz aber hat den Spread aufgeweitet und den Geldkurs ca. 4 bis 5 ct unter das Limit gesetzt, und den Kurs damit unter denjenigen den es an anderen Börsen gab! Dadurch erhielt ich keine Ausführung am Montag und Dienstag. Als ich am Mittwoch nachgesehen habe, war die Meldung bereits raus, der Kurs im Eimer und das hat richtig Geld gekostet. Beschwerde an Wikifolio ist raus, rechne aber mit keinem Entgegenkommen.
    Covacoro

  • #5

    Tobi (Freitag, 27 November 2015 10:15)

    Ah ok, das verstehe ich. Ich habe das Problem mit den Ausführungen per Lang und Schwarz auch schon gehabt - inzwischen würde ich alles was ich als dringend empfinde als Quotenverkauf/--kauf tätigen. Ich glaube das Handelssystem führt den Handel immer erst gleichzeitig mit dem Hedge aus, wenn L&S also keine Hedgeposition (für sie profitabel nach Spesen) zu dem Limit aufbauen können wird es nicht bedient. Ist natürlich ärgerlich, aber muss man wissen - ich finde es sogar positiv, da ich mir sonst Sorgen m die Sicherheit der Zertfikaterückzahlung (was Wikis ja sind) machen müsste.

    Aus Fehlern wird man klug wie man so schön sagt ;)

  • #6

    Covacoro (Donnerstag, 31 Dezember 2015 16:19)

    Als Ergänzung: ich habe letztendlich Abengoa am 2.12. zu 1.25 Euro aus dem Wikifolio verkaufen können, als der Kurs kurzfristig nochmal nach oben sprang: "dead cat bounce".