Seit 2012 gibt es die Webseite wikifolio.com und die wikifolios: das sind Indexzertifikate, die bei jeder Bank erworben werden können. Der Indexwert wird anhand der Wertentwicklung eines Portfolios berechnet, das auf der Webseite stets einsehbar ist. Dies gilt auch für alle Transaktionen (Kauf/Verkauf). Der Name ist also nicht zufällig gewählt: man kann jederzeit wie bei Wikipedia nachschlagen, was enthalten ist. Weitere interessante Details stellt der folgende Artikel vor.
AUFBAU und FUNKTIONSWEISE
Mein Interesse für wikifolios wurde Anfang 2013 geweckt und ich bin seit mittlerweile drei Jahren selbst auf wikifolio.com aktiv. Die Webseite stellt die Funktionsweise detailliert dar,
ich möchte daher nur einen Überblick geben und einige meiner Erfahrungen teilen. Wer weiterführende Fragen hat, kann sich im Internet detailliert informieren oder auch gerne hier seine Fragen
stellen.
Ein wikifolio ist zunächst ein virtuelles Musterportfolio, in dem Aktien, Investmentfonds, ETFs und Zertifikate gekauft und verkauft werden können. Dazu ist es notwendig, sich kostenlos bei wikifolio.com zu registrieren und den sogenannten Prozess der Publizierung anzustossen. Denn die erste Besonderheit eines wikifolios besteht darin, dass es stets öffentlich ist und das der Depotmanager jede(r) sein kann: Privatanleger, Profihändler, Journalist, Fondsmanager oder auch ein Unternehmen.
Die zweite Besonderheit liegt darin, dass keine Transaktionskosten für den Handel im Musterportfolio anfallen und das jede Transaktion sofort online einsehbar ist. Die Geld- und Briefkurse für den Handel stellt dabei Lang & Schwarz, die auch das Emissionshaus für die wikifolio-Indexzertifikate sind. Denn aus dem virtuellen Depot kann ein sogenanntes Indexzertifikat auf einen Wikifolio-Index werden, das bei jedem Broker handelbar ist und damit ähnlich wie ein Investmentfonds oder ETF funktioniert.
Was ist dazu notwendig? Zunächst muss die Wertentwicklung des Portfolios indexiert werden, das heißt ein stets aktueller Indexkurs berechnet werden. Das erfolgt auf der Webseite automatisch, indem die Wertentwicklung der Einzelpositionen aggregiert wird. Der jeweilige Index startet also bei 100,0 und sofern die Positionen im Depot um beispielsweise 6 Prozent steigen, beträgt der neue Indexwert 106,0. Das zugehörige Indexzertifikat bildet nun diesen Index 1:1 ab und würde 106 Euro kosten. Es gibt aber zwei wesentliche Vorbedingungen, damit die sogenannte Emission des Zertifikats stattfindet.
Erstens muss der Initiator innerhalb von 3 Wochen 10 Unterstützer finden, die sein Musterdepot interessant finden und dies auch bekunden. Dazu muss man die geplante Strategie, welche Wertpapiere und Märkte man handeln will und den eigenen Hintergrund erläutern - man muss auf der Plattform für sich Werbung machen. Nützlich dafür ist vor allem die Kommentar-Funktion, wo man zu jedem Kauf oder Verkauf Gedanken und Beweggründe posten kann. Ebenfalls möglich sind allgemeine Kommentare zur Börsenentwicklung, zu interessanten Artikeln oder zu anderen wikifolios.
Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei wikifolio.com auch eine Watchlist gibt, mit der man andere wikifolios beobachten kann und das Daytrader eher Daytradern folgen und Value-Anleger eher anderen Value-Anlegern. Die Interaktion beschränkt sich aber auf eigene Kommentare und die Webseite ist kein Forum mit Diskussionen. Prinzipiell sind alle Arten von Anlage-Strategien anzutreffen (zum Beispiel fundamentale oder technische Analyse), alle Arten von Anlegertypen (privat, semiprofessionell, institutionell) und es existieren auch wikifolios von Anlegermagazinen, Börsenbriefen und Vermögensverwaltungen.
Wird die Schwelle von 10 Unterstützern erreicht, nimmt wikifolio.com mit dem Initiator telefonisch Kontakt auf und die zweite Vorbedingung wird besprochen. Jedes Finanzprodukt benötigt einen Emissionsprospekt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden durch das Unternehmen gemeinsam mit dem Emissionshaus Lang & Schwarz sowie der BAFIN ausgehandelt und festgelegt. Darum muss man sich nicht selbst kümmern, es entstehen auch keine Kosten für den Initiator.
Neben der Verifikation der Kontaktdaten ist es vor Emission daher oftmals erforderlich, die Beschreibung der Anlagestrategie zu verallgemeinern und mit Konjunktiven anzureichern, genauso wie wir es aus Investmentfonds-Prospekten oder Versicherungsverträgen kennen.
Das hat rein juristische Hintergründe und scheint unvermeidbar.
Ist diese letzte Hürde genommen, kann das jeweilige wikifolio-Zertifikat emittiert werden und bekommt eine Wertpapierkennnummer (WKN). Ab jetzt nimmt Lang & Schwarz zusätzlich die Funktion der Replikation war: Sobald ein beliebiger Anleger ein wikifolio-Zertifikat erwirbt, müssen die jeweiligen Wertpapiere in der entsprechenden Zusammensetzung erworben werden.
Ein Beispiel: der Initiator des wikifolios hat seine Strategie seit 1 Jahr ausgiebig getestet und einen Wertzuwachs von 10% erreicht. Damit ist er zufrieden und entscheidet, statt nun die einzelnen Aktien, Investmentfonds, ETFs und Zertifikate bei seiner Bank zu kaufen (mit entsprechenden Transaktionskosten, da ja mehrere Käufe anfallen), 100 Indexzertifikate seines eigenen wikifolios zu erwerben. Führt er diese Transaktion bei einem Discountbroker mit volumenunabhängiger Gebühr durch, betragen seine Kosten oft weniger als 10 Euro.
KOSTEN und ZUSAMMENFASSUNG
Damit kommen wir zum Punkt Kosten. Wie bereits dargelegt, gibt es keine Kauf- oder Verkaufs-Gebühren innerhalb des Musterdepots, auch die Abgeltungssteuer fällt hier nicht an. Da die Anmeldung komplett kostenlos ist und ebenfalls die Emission, muss es andere Gebühren geben um wikifolio.com und die verbundenen Partner zu vergüten:
Es gibt zum einen die Zertifikategebühr in Höhe von 0,95% p.a., die vom Gesamtwert des Musterdepots berechnet wird und kontinuierlich in Abzug gebracht wird. Zum anderen gibt es die Performancegebühr, die zwischen wikifolio.com und dem jeweiligen Initiator gesplittet wird. Sie fällt nur auf erzielte Kursgewinne an, das heißt wenn das Zertifikat neue Höchstkurse erreicht (High Watermark Prinzip) und liegt zwischen 0 und 30 Prozent. Die Performancegebühr wird ebenfalls vom Wert des Musterdepots abgezogen.
In Summe: Lang & Schwarz und wikifolio.com haben ein transparentes Gebührenmodell gewählt, beide Gebührenarten sind im Kurs des wikifolios berücksichtigt und sind auf der jeweiligen Zertifikateseite einsehbar.
Zur Verdeutlichung eine Beispielrechnung: Der wikifolio-Kurs steht bei 110,00 Euro, was ein neuer Höchstkurs sein soll, das heißt die "high watermark" darstellt. Solange der Kurs nicht weiter ansteigt, fällt nachfolgend nur die Zertifikategebühr an. Bei einem Musterdepot-Wert in Höhe von 11.000 Euro sind das täglich ca. 0,29 Euro. Tritt aber ein Gewinn von 2% auf, würde der wikifolio-Kurs theoretisch auf 112,20 Euro steigen und der Depotwert auf 11220 Euro. Bei einer beispielhaften Performance-Gebühr von 20% werden also 1,6% gutgeschrieben, der Folgekurs lautet also 110,00 - 0,29 + 1,76 Euro = 111,47 Euro.
Die Performance-Gebühr stellt den Anreiz für den wikifolio-Trader dar, eine nachhaltig positive Wertentwicklung zu erzielen und damit im Sinne von anderen Anlegern zu handeln, die sich zum Kauf des wikifolio-Indexzertifikats entschieden haben. Ein ähnliches Gebührenmodell wenden einige aktive Investmentfonds und Vermögensverwalter an.
Wesentlicher Punkte in der Zusammenfassung:
- Sind eine Möglichkeit, eine Strategie in einem einzigen Wertpapier (Endlos-Indexzertifikat) abzubilden oder an einer fremden Strategie zu partizipieren
- Keine Transaktionskosten und keine Steuern im Musterdepot
- Investierbar für den Initiator, für Friends & Family und andere Investoren zu den Gebühren, die der jeweilige Discountbroker berechnet
- Hohe Transparenz zu Depotpositionen, Transaktionen und verrechneten Gebühren (Online-Depoteinsicht, Online-Kontoauszug) über die Zertifikateseite (Beispiel)
- Performancegebühr und Real-Money-Status (Initiator hat eigenes Geld im Zertifikat investiert, nachweispflichtig) motivieren zu nachhaltig positiver Wertentwicklung, zu Risiko- und Moneymanagement
- Die Einhaltung und den Erfolg der jeweiligen Strategie muss jeder Investierte aber selbst regelmäßig überprüfen.
Ein eigenes wikifolio-Musterdepot öffentlich zu führen, kann einen Lernprozeß anstoßen, da die Dokumentationspflichten und die Kommentarfunktion helfen, bestimmten wiederkehrenden Fehlern und schädlichen Verhaltensweisen bei Transaktionen auf die Spur zu kommen. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die davon ausgehen, dass Initiatoren ein hohes Risiko eingehen, um in der Rangliste der wikifolios ganz nach oben zu gelangen.
Damit möchte ich zunächst diesen Artikel beenden, der bereits sehr umfangreich geworden ist und einen ersten Eindruck vermitteln sollte. Wie gesagt, wer weiterführende Fragen hat, kann sich im Internet auf wikifolio.com informieren oder auch gerne hier seine Fragen stellen.
Viel Erfolg wünscht
Covacoro
wikifolio.com Werbevideo via Youtube
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