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FACC: viel Potenzial

FACC - Fischer Advanced Composite Components ist in einer spannenden Nische tätig - im Leichtbau für die Flugzeugindustrie. Der erste Artikel hat die Geschichte und den Status Quo des Unternehmens beleuchtet. Heute geht es um die Finanzkennzahlen und um eine Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. 


RÜCKBLICK

Vergangenheitszahlen FACC, Quelle: Ariva.de
Vergangenheitszahlen FACC, Quelle: Ariva.de

 

Zunächst ein kurzer Blick zurück.

Prüft man die Zahlen der letzten Jahre, so sieht man einerseits ein deutliches Umsatz-Wachstum, andererseits aber auch negative Ergebnisse für die letzten beiden Jahre (siehe Tabelle rechts). Das erklärt sicher auch, warum der Kurs der Aktie so stark zurückgegangen ist.

 

Im Geschäftsjahr 2015/16, das bei FACC übrigens stets im Februar endet, ist der Verlust auf eine Abschreibung in Höhe von 41.9 Mio Euro zurückzuführen, die aufgrund eines Fake President Vorfalls im Januar 2016 nötig wurde. Der Gesamtschaden belief sich auf 52.8 Mio Euro, davon sind 10.9 Mio. Euro auf ausländischen Konten eingefroren und nicht kurzfristig rückführbar. Nachdem der Betrug und weitere Details bekannt wurden, musste zunächst die Finanzchefin gehen (Bericht). 4 Monate später wurde auch der langjährige CEO Walter Stephan entlassen (Bericht). Seitdem führt der bisherige Technik-Vorstand Robert Machtlinger die Geschäfte.

 

Auf dem letzten Eigenkapitalforum in Frankfurt versicherte der IR-Manager Manuel Taverne, dass man den Vorfall aufgearbeitet hat und insbesondere interne Prozesse und die IT-Systeme überprüft wurden. Er wies darauf hin, dass zahlreiche Gespräche und Audits stattfanden, um den Kunden wie Airbus, Boeing etc. die Gewissheit zu geben, dass ihr Knowhow in den technischen Unterlagen und IT-Systemen bei FACC sicher war und ist.

 

Trotzdem hängt das Thema anscheinend weiter wie ein Damoklesschwert über der Aktie. Ein neuer Finanzvorstand wurde mit Ales Starek zwar gefunden, beim CEO-Posten ist eine Entscheidung aber überfällig - diese war ursprünglich für Ende November 2016 angekündigt.  Auch scheinen das Personalkarussell und die juristische Aufarbeitung weitere Kosten nach sich zu ziehen: im Q2 2017 wurden erneut 1.4 Mio. Euro abgeschrieben. Auf der Habenseite steht allerdings, dass weder die Umsätze noch die Auftragseingänge in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Kunden scheinen weiter von FACC überzeugt zu sein.

 


FACC: Der Geschäftsbereich Aerostructures fertigt u.a. Winglets und Sharklets.
FACC: Der Geschäftsbereich Aerostructures fertigt u.a. Winglets und Sharklets.

 

Damit kommen wir zu den Quartalszahlen. Bei deren Prüfung fällt auf, dass in Q3 (September bis November, Bericht im Januar) und Q4 (Dezember bis Februar, Bericht im Mai) regelmäßig höhere Umsätze erzielt werden als in Q1 und Q2. Offensichtlich starten Produkt-Auslieferungen an die Flugzeugindustrie oft im September und der Ausstoss wird dann über mehrere Quartale hochgefahren.

 

Das sollte man berücksichtigen, wenn man die Ergebnisse für das laufende Geschäftsjahr 2016/17 unter die Lupe nimmt. Bisher berichtet wurden die Zahlen für Q1 und Q2, der Umsatz stieg in Summe um 22 Prozent auf knapp 330 Mio. Euro. Das EBIT erreichte 4.6 Mio Euro, darin sind erneut Abschreibungen auf das Fake President Event von 1.4 Mio. Euro enthalten. Die EBIT-Marge (bereinigt) lag also unter 2 Prozent. Das ist historisch gesehen sehr niedrig, in den Jahren 2012 bis 2014 konnte man 6 bis 8 Prozent erreichen.

 


SZENARIEN FÜR DIE ZUKUNFT

 

Für die zukünftige Profitabilität und das Wachstum von FACC möchte ich zwei Szenarien betrachten - ein konservatives Basisszenario und einen positiven, bullischen Fall.

 

Im Basisszenario für das GJ 2016/17 gehe ich von folgenden Annahmen aus:

  • Alle 3 Geschäftsbereiche erreichen in Q3/Q4 kein Umsatzwachstum über Q1/Q2
  • Aerostructures mit stabiler Marge
  • Engines und Nacelles bestätigt den (erstmaligen !) Break Even aus Q2, der Bereich wird netto in 2016 noch eine Ergebnisbelastung darstellen
  • Interiors kann die Rampup-Kosten und negative Marge aus dem 1.Halbjahr leicht um 2 Prozentpunkte verbessern, wird netto in 2016 aber noch rote Zahlen schreiben

Daraus resultiert ein erwarteter Umsatz von ca. 660 Mio. Euro, ein EBIT von 20 Mio. Euro (EBIT-Marge ~ 2.9%) und ein Gewinn pro Aktie von 0.24 Euro.

 

Im Bullszenario für das GJ 2016/17 rechne ich mit folgenden Annahmen:

  • Alle 3 Geschäftsbereiche steigern den Q3/Q4-Umsatz um 10% über Q1/Q2
  • Aerostructures mit stabiler Marge
  • Engines & Nacelles sowie Interiors erreichen bezogen auf das Gesamtjahr den Break Even (schwarze Null beim EBIT)

Daraus resultiert ein prognostizierter Umsatz von ca. 690 Mio Euro, ein EBIT von 30 Mio. Euro (EBIT-Marge ~ 4.3%) und ein Gewinn pro Aktie von 0.32 Euro.

 

Da ich dem Basisszenario 30% Wahrscheinlichkeit beimesse und dem Bullszenario 70% (vor allem aufgrund der regelmäßig höheren Umsätze in Q3/Q4 in der Vergangenheit und den bereits laufenden Ramps) rechne ich mit 0,30 Euro je Aktie. Auf aktuellem Kursniveau betragen daher die Kennzahlen für FACC:

 

KUV ~ 0.4, KGV ~ 18, KBV ~ 0.8, EV/EBITDA < 7

 

Nicht spektakulär günstig, aber auch nicht teuer für ein wachsendes Unternehmen und vor allem bereits günstig im Vergleich zu anderen Unternehmen der gleichen Branche. Die Hebelwirkung der wachsenden Umsätze und einer Normalisierung der EBIT-Marge wird dann bereits in meinen Schätzungen für das Folgejahr sichtbar.

 


FACC: Der Geschäftsbereiche Engines & Nacelles fertigt u.a. Verkleidungen für Triebwerke.
FACC: Der Geschäftsbereiche Engines & Nacelles fertigt u.a. Verkleidungen für Triebwerke.

 

Im Basisszenario für das GJ 2017/18 reche ich mit folgenden Annahmen:

  • Umsatzwachstum von 10% im Gesamtjahr bezogen auf Ausgangspunkt 660 Mio.
  • Aerostructures mit stabiler Marge
  • Engines & Nacelles mit Break Even
  • Interiors mit positiver Marge von 2%

Daraus resultiert ein erwarteter Umsatz von ca. 726 Mio Euro, ein EBIT von 40 Mio. Euro (EBIT-Marge ~ 5.5%) und ein Gewinn pro Aktie von etwa 0.47 Euro.

 

Im Bullszenario für das GJ 2017/18 lege ich folgende Annahmen zugrunde:

  • Umsatzwachstum von 15% im Gesamtjahr bezogen auf Ausgangspunkt 690 Mio.
  • Aerostructures mit stabiler Marge
  • Engines & Nacelles sowie Interiors mit positiver Marge von 2%

Daraus resultiert ein erwarteter Umsatz von ca. 790 Mio Euro, ein EBIT von 47 Mio. Euro (EBIT-Marge ~ 6%) und ein Gewinn pro Aktie von geschätzt 0.55 Euro.

 

Da ich dem Basis- und Bullszenario 50% Wahrscheinlichkeit zubillige, rechne ich mit 0,51 Euro je Aktie. Auf aktuellem Kursniveau betragen daher die Kennzahlen für FACC für 2017:

 

KUV ~ 0.3, KGV ~ 10.6, KBV ~ 0.7, EV/EBITDA < 6

 

Das stellt für mich eine klare Unterbewertung dar, egal welche Kennzahl man heranzieht. Sie liegt zwischen 20 und 40% - eine hinreichende Sicherheitsmarge für einen Kauf!

 

Die Annahmen für das Umsatzwachstum sind aus meiner Sicht relativ konservativ. Einerseits weil aktuell über 20 Prozent Wachstum demonstriert werden, andererseits weil die gestarteten Projekte im Ramp sind und eine gute Visibilität haben. Natürlich ist der genaue Umsatzmix schwierig abzuschätzen, die Margen können durch besondere Aufwände belastet werden. In meinen Schätzungen wurden aber die Margen von Engines & Nacelles sowie Interior bewußt eher niedrig gewählt - hier wären durchaus positive Überraschungen möglich. Zum Erreichen des selbst gesteckten Umsatzziels von 1 Mrd. Euro bis zum GJ 2020/21 müßte FACC im übrigen ein jährliches Wachstum von 15 Prozent realisieren. Ich denke, diese Prognose wurde nicht leichtfertig ausgesprochen.

 

FACC muss sicher profitabler werden und das Vertrauen der Investoren nach den zahlreichen Enttäuschungen zurückgewinnen, indem konkrete Prognosen abgegeben und eingehalten werden. Welches Potenzial langfristig für die erzielbaren Cashflows und Gewinne in FACC steckt, haben die obigen Rechnungen deutlich aufgezeigt.

 


FACC: Der Geschäftsbereich Interior fertigt u.a. komplette Kabinenausstattungen.
FACC: Der Geschäftsbereich Interior fertigt u.a. komplette Kabinenausstattungen.

SWOT-AnalysE

 

Die englische Abkürzung SWOT steht für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threads (Bedrohungen). Eine SWOT-Analyse ist stets subjektiv, weil die getroffenen Einschätzungen eine Interpretation der Daten und Situation darstellen. Was für einen Investor eine Stärke darstellen kann, zum Beispiel ein hoher Umsatzanteil im Ausland, kann ein anderer Investor als unerwünschtes Risiko betrachten.

 

Obwohl die Analyse subjektiv ist, ist sie nützlich, denn man kann in der Folgezeit überprüfen, ob die getroffenen Einschätzungen sich eher bestätigen und den Investment-Case bekräftigen, oder ob sich dieser in Luft auflöst. Für jede Kategorie habe ich die wesentlichen drei Argumente aus meiner Sicht zusammengetragen.

 

Stärken

  • Starke, über Jahre gefestigte Position als Anbieter von Leichtbaukomponenten
  • Im Geschäft mit allen Keyplayern der Flugzeugindustrie, insbesondere unabhängig davon, ob Airbus, Boeing oder COMAC, Bombardier etc. erfolgreich(er) sind
  • Nischenplayer mit ausgezeichneten Wachstumsperspektiven: hat kritische Masse für Entwicklung, Innovation und Produktion, gleichzeitig fokussierte Ausrichtung, schlanke Struktur

Schwächen

  • Enttäuschende Entwicklung des Aktienkurses, nicht eingehaltene Prognosen
  • Niedrige Profitabilität, unzureichende Ausnutzung von Skaleneffekten
  • Unsicherheit, ob, wann und mit welcher Zielrichtung CEO-Frage gelöst wird und welche Rolle der Ankeraktionär mittelfristig spielen wird

Chancen / Möglichkeiten

  • Wachsender Anteil von Leichtbaukomponenten sowie höhere Automatisation im Flugzeugbau und bei Zulieferern könnten Volumen- und Margen-Ausweitung ermöglichen
  • FACC könnte zu einem Partner der Airlines werden, dass MRO-Geschäft bietet dann vergleichsweise sehr gute Margen
  • Leichtbau wird neben Flugzeugbau in weitere Branchen vordringen, FACCs Knowhow könnte dort gesucht sein

Bedrohungen / Risiken

  • Oligopol der Flugzeughersteller, Risiko unfaire Preisgestaltung und Preisdruck
  • Disruption durch chinesische Flugzeugindustrie, Verlust von Knowhow und Aufträgen
  • Qualitätsprobleme / Rückrufaktionen bei sicherheitsrelevanten Zulieferungen aufgrund neuer Fertigungsmethoden oder Materialien

Wie der Kauf der Aktie für mein Wikifolio dokumentiert, schätze ich momentan die Chancen größer als die Risiken ein und die Stärken als gewichtiger wie die Schwächen.

 


SUMMA SUMMARUM

 

Die Ausgangslage für die FACC-Aktie ist aus meiner Sicht vielversprechend:

 

Nach verfehlten Prognosen und einem Fake President Event wird die Aktie von vielen Investoren gemieden und der Kurs ist deutlich unter Buchwert gefallen. Trotzdem sind Umsatzwachstum und Auftragseingang des Unternehmens gesund und in Takt.

 

Wenn FACC seine derzeitigen Profitabilitäts-Probleme in den Griff bekommt, sind deutlich höhere Gewinne möglich. Auf Sicht von 2 Jahren ist die Aktie aus meiner Sicht fundamental klar unterbewertet. Eine Garantie oder Automatismus für höhere EBIT-Margen gibt es aber nicht, sondern es liegt viel Arbeit vor dem Unternehmen. 

 

Die Stärken von FACC haben das Unternehmen die vergangenen 20 Jahre vorangetrieben bis auf knapp 600 Mio. Euro Umsatz. Gelingt es dem Management nach dem holprigen Börsenstart, die Turbulenzen der vergangenen Monate hinter sich zu lassen und auf stabile Reiseflughöhe zu gehen, sollte sich auch die Wahrnehmung und Bewertung der Aktie am Kapitalmarkt deutlich verbessern. Den nächste Woche zur Veröffentlichung anstehenden Q3-Zahlen blicke ich daher mit Spannung entgegen.

 

 

Disclaimer: Die Daten wurden sorgfältig recherchiert und stammen von der Unternehmens-Webseite und öffentlich zugänglichen Quellen. Trotzdem stellt die Analyse lediglich die persönliche Sicht des Autors dar und kann fehlerhaft sein. Vor jeder Anlageentscheidung sollten Leser sich daher selbstständig über die besprochene Aktie informieren und eigenständig entscheiden. Der Autor weist darauf hin, dass er die im Artikel besprochene Aktie im Privatportfolio und -wikifolio hält und sie jederzeit und ohne darüber zu informieren zu- oder verkaufen könnte.  

 

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Kommentare: 5
  • #1

    EasyWISA (Donnerstag, 19 Januar 2017 14:18)

    FACC kannte ich vorher gar nicht. Von daher danke für die Vorstellung. Mir fehlt in deiner Analyse allerdings ein wenig die Betrachtung der Bilanz und der Cashflows. Du hast eigentlich nur die Ertragssituation (sprich Umsatz + EBIT + Gewinn) beleuchtet. Für mich wäre FACC wohl eher nichts aufgrund der recht hohen Verschuldung und des zyklischen Geschäfts. Der operative Cashflow schwankt stark und aufgrund der hohen Investitionen ist der Free Cashflow meist sogar negativ. Das kann auf Dauer nicht gut gehen, wenn dann noch so Geschichten wie letztes Jahr hinzu kommen...

  • #2

    Covacoro (Donnerstag, 19 Januar 2017 18:50)

    Danke für deinen Kommentar, EasyWISA.

    Die Bilanz und den Cashflow habe ich zwar betrachtet, aber noch kein abschließende Meinung dazu. Die Verschuldung geht ja in den Enterprise Value mit ein und damit in die Kennzahl EV/EBITDA - die ist meiner Meinung nach günstig. Net Debt steht bei ca. 240 Mio. Euro und in 2017 könnte EBITDA ca. 60 Mio. Euro erreichen, ergebe ~4.

    Andererseits ist die Eigenkapitalquote >40%, es existiert ein Ankeraktionär mit tiefen Taschen, die großen Investitionen sind getätigt und die CAPEX seit 3 Jahren rückläufig. Sobald die Profitabilität sich verbessert, wird auch der (Free) Cash Flow spürbar positiv werden.

    Schaun wir mal, wie es weitergeht.

  • #3

    Covacoro (Donnerstag, 19 Januar 2017)

    Noch etwas vergessen: die Q3-Zahlen wurden veröffentlicht, anbei der Download-Link
    http://www.facc.com/content/download/5128/42785/file/Zwischenbericht_Q31617_DE.pdf

    Der Q3-Umsatz ist bei 195 Mio. Euro gelandet und damit um 20% zu Q2 gestiegen, damit eher das Bullszenario. Für das GJ prognostiziert man insgesamt 700 Mio. Euro. Die EBIT-Marge nach 9 Monaten beträgt ca. 3%. Insgesamt sind die Zahlen und der Ausblick recht ordentlich.

  • #4

    Covacoro (Mittwoch, 01 Februar 2017 19:51)

    Die "Erste Group" nimmt bzgl. FACC die Coverage auf mit Rating "Buy" und Kursziel 8 Euro. Prognose sieht Rückgang der Verschuldung und GpA 2017/18e von 0.44 Euro vor.
    http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2017-01/39800552-erste-nimmt-facc-coverage-mit-buy-wieder-auf-322.htm

  • #5

    Covacoro (Samstag, 25 März 2017 16:21)

    Die Zahlen für 2016/17 wurden veröffentlicht: Umsatz erreicht 710 Mio. Euro und EBIT-Marge 3.6 Prozent, so dass man bei ca. 25 Mio. Euro landet. Das ist besser als von Vielen erwartet und kommt nahe an mein Bullszenario heran.
    http://www.facc.com/Investor-Relations/News2/EANS-Adhoc-FACC-AG-Vorlaeufiges-Ergebnis-mit-signifikantem-Umsatzwachstum-und-ueberproportionaler-Ergebnissteigerung-im-Geschaeftsjahr-2016-17