Auf der Suche nach dem nächsten Kanarienvogel

Kanarienvögel,  Bildquelle: Pixabay
Kanarienvögel, Bildquelle: Pixabay

Vergangene Woche habe ich einen Ausflug in die englisch-sprachigen Finanzblogs unternommen und stieß dort auf eine Phänomen, dass diesem Artikel den Titel gab:

 

Viele Autoren sind besorgt, wie lange der Anstieg der Börsen bereits andauert und beschäftigen sich mit Warnzeichen für einen bevorstehenden Richtungswechsel.

 

Im Bergbau nutzte man früher zur Erkennung von "bösen Wettern" und zur Warnung der Bergleute Kanarienvögel (Quelle). Wenn Sie anschlugen und sprichwörtlich von der Stange fielen, war Gefahr im Verzug: meist durch Kohlenmonoxyd, ein farbloses und geruchloses Gas, das in geringen Konzentrationen bereits tödlich sein kann. Und Kanarienvögel sind in der Tat ein sensitiver und empfindlicher Anzeiger bereits niedriger Konzentrationen. Machen wir uns also auf die Suche nach Ihnen an den Finanzmärkten im März 2017.

 


 

Gefühlt dauert der Börsenaufschwung nun schon sehr lang - 8 Jahre. Michael Batnik relativiert dies aber durch Vergleich mit drei historischen Aufschwungphasen in seinem Blogartikel.
Das Vergleichschart zeigt auf, dass es wesentlich längere Phasen gab und auch solche mit größeren Kursgewinnen. Gefühle können trügen!

 

Bull Markets im Vergleich, Quelle: Michael Batnik, The irrelevant investor
Bull Markets im Vergleich, Quelle: Michael Batnik, The irrelevant investor

 

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass andere Aritkel zu gegenteiligen Einschätzungen kommen - es kommt halt auf die genaue Definition des Startpunktes an (Beispiel). Sicher ist nur Eines: eine Daumenregel, wonach ein Trend nur eine bestimmte Länge haben darf, gibt es nicht.


 

Bill Gross von Janus Capital veröffentlicht regelmäßig einen Investment Outlook. Anfang März trägt er den Titel "Show me the money". Der erfahrene Bond-Investor ist beunruhigt durch die Mixtur aus hohen Schulden und geringem Eigenkapital. Für ihn ist das Finanzsystem derzeit wie eine Fuhre Nitroglycerin auf einer holprigen Straße unterwegs ("But our highly levered financial system is like a truckload of nitro glycerin on a bumpy road").

 

Er glaubt weder dem versprochenen Trump-Wunder mit 3 bis 4% Wachstum durch Steuer-Senkungen und Deregulation, noch der Möglichkeit die Zinsen vorsichtig und ohne Schaden erhöhen zu können. Bereits im Januar hatte er seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass ein Anstieg über 2.6 Prozent bei den 10-jährigen US-Staatsanleihen ein Wendepunkt sein könnte (Link). Es wäre nicht das erste Mal, dass er falsch liegen würde: 2015 rief er eine Short-Spekulation auf den Bund-Future als die Investment-Gelegenheit aus (Link).

 

Der Blog Never mind the markets sieht in Das Bangen der Börsianer den möglichen Trigger für eine Korrektur ebenfalls von der Zinsfront nahen. Statt aber dem Bauchgefühl eines Fonds-Managers zu vertrauen, liefert man hier Daten und eine Grafik der BofA Merill Lynch nach. Sie stellt die Korrelation von Aktien- und Bondkursen seit 1962 dar und für Werte jenseits von 5 Prozent bei den 10-jährigen US-Staatsanleihen wird diese Korrelation negativ. Also sinkende Aktienkurse bei steigenden Zinsen. Dann ist ja alles klar und es heißt Entwarnung, wo doch derzeit erst 2.5 Prozent angezeigt sind? Nicht so schnell mit den Kanarienvögeln! Leider gab und gibt es immer wieder Ausnahmen: Besonders ausgeprägt beispielsweise beim Beginn des Tapering in den USA. Sieht also ganz danach aus, als ob der Kanarienvogel Zins eher launisch ist.

 

Überhaupt, warum die Diskussion über Wendepunkte, warum der Versuch eine konträre Meinung einzunehmen? Natürlich deshalb, weil man schlauer sein will, etwas antizipieren möchte und nicht blind der Herde folgen. Ohne Prognosen zu investieren wäre ja irgendwie langweilig und so seziert der Blog The irrelevant investor auch gleich noch die drei (oder waren es doch vier?) Typen des Contrarian Investors. In welcher Schlange stellen Sie sich an?

 

 

Bitte lesen Sie ruhig den Artikel und schauen sich an, wie der "Pure Contrarian Fund" performt hat. In 2016 legte er über 70 Prozent zu, der S&P500 hingegen nur knapp 12 Prozent. Toll, wie es sich lohnt Contrarian zu sein, oder? Nur hätte man als Anleger zuvor das Jahr 2015 aushalten müssen: minus 37 Prozent im Fonds, statt einem kleinen Plus von 2 Prozent im Index. Ich nehme an, die meisten Contrarians waren in 2015 im Fonds investiert, aber nicht mehr 2016...

 

Also Vorsicht mit den Kanarienvögeln und den Versuchen, die Wendepunkte zu erahnen und dem gesamten Markt voraus zu sein. Stattdessen könnten Sie sich ja mit Ihrem Investment-Prozess beschäftigen und damit, wie sie statt beschäftigt, produktiv(er) sind. Lesen Sie dazu den sehr guten Artikel von Morgan Housel, der lange Zeit auf Motley Fool veröffentlicht hat. 

 

Erfolgreiche Woche wünscht

Covacoro

 


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