· 

Wikifolio-Auswertung Q1/2017

 

Ein turbulentes erstes Quartal liegt hinter dem Wikifolio und heute möchte ich die wesentlichen Ereignisse und Entwicklungen zusammenfassen. Das Depot konnte im Januar und Februar zunächst deutlich zulegen, um 2.8 bzw. 1.9 Prozent um genau zu sein, und markierte bis 20.März erneut neue Höchststände. In der Spitze lag das Plus in 2017 bei 7.5 Prozent - knapp 3 Prozent vor dem DAX zu diesem Zeitpunkt. Dann ereignete sich jedoch die Short-Attacke von Gotham City Research auf Aurelius, die den Kurs nach einem Anstieg von 57 auf 67 Euro seit 1.01.2017 zeitweilig auf 35 Euro abstürzen ließ. Damit verwandelte sich der positive Performancebeitrag von Aurelius in einen negativen: zum 31.03. verblieb für das Wikifolio insgesamt nur ein Plus von 1.5 Prozent. Aber gehen wir der Reihe nach vor: Transaktionen, Portfolioübersicht, Zahlen und Ausblick.

 


Transaktionen UND PORTFOLIOÜBERSICHT

 

Im Wikifolio habe ich im 1.Quartal keine Käufe oder Verkäufe vorgenommen, sondern lediglich die Dividende für die Bellevue AG kassiert (318 Euro). Auch die Short-Attacke auf Aurelius führte nicht zu hektischen Aktivitäten. Als Privatanleger heißt es in solchen Fällen, einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht voreilig emotional zu handeln. Der Schaden ist angerichtet, wenn die News veröffentlicht ist. Die institutionellen Anleger, die gezwungen sind auf News zu reagieren, haben umgehend gehandelt. Die institutionellen und privaten Anleger, die die Geschichte zunächst genau prüfen wollen, werden weder voreilig verkaufen noch kaufen. Je nach Zeithorizont und Anlagestrategie reagieren andere Anlegertypen aber vollkommen anders: es finden sich sowohl Contrarians, die den Absturz umgehend für (sehr riskante) Käufe nutzen als auch Anleger, die auf weitere Kursverluste setzen und (ebenfalls sehr riskante) Leerverkäufe tätigen. Daran muss man sich nicht beteiligen. Wie ich den Ausblick für Aurelius sehe, darauf gehe ich in einem Abschnitt weiter unten ein.

 

Zunächst aber der Überblick über die enthaltenen Positionen und ihre Entwicklung seit Kauf.

 

Wertentwicklung der Einzelwerte, Stand 10.04.2017, Quelle: wikifolio.com
Wertentwicklung der Einzelwerte, Stand 10.04.2017, Quelle: wikifolio.com
Bestände im Wikifolio, Stand April 2017
Bestände im Wikifolio, Stand April 2017

JAHRESZAHLEN 2016 und AUSBLICK

 

Wie jedes Jahr haben zahlreiche Werte bereits die vorläufigen Jahreszahlen 2016 vorgestellt und ich möchte auf einige Meldungen kurz eingehen, weil so das Potential der entsprechenden Aktien sichtbar wird.

 

Positive Meldungen:

  • FACC ist mittlerweile der größte Wert im Wikifolio. Die vorläufigen Zahlen vom 25.03. waren sehr erfreulich, der Umsatz steigt auf 710 Mio. Euro und die EBIT Marge auf 3.6 Prozent (Link). Die guten Wachstumsaussichten manifestieren sich zunehmend und seit Erstkauf konnte die Aktie in der Spitze schon bis auf 7,40 Euro zulegen. Die derzeitige Konsolidierung des Kurses beunruhigt mich daher nicht. Noch immer notiert die Aktie unter Buchwert und das Bullszenario aus meinem Artikel für 2017/18 ist m.E. nicht ausreichend eingepreist. Daher eine gute Halteposition mit Kursziel 8 Euro.
  • Manz wurde Ende 2016 neu aufgenommen und das Timing war damit optimal. Am 23.01. vermeldete man den lange angekündigten Großauftrag über 263 Mio. Euro und die strategische Kooperation in der Solarsparte (Link). Der Kurs sprang nach oben und der Wert lag knapp 20 Prozent im Plus. Die Prognose für 2017 sieht einen Umsatz in der Größenordnung von 350 Mio. Euro und ein deutlich positives Ergebnis vor. Hier ist man aber nach den letzten Verzögerungen eher vorsichtig geblieben, vor allem wie hoch die Kosteneinsparungen durch das Joint Venture dann letztendlich sein werden, so dass es durchaus auch Überraschungspotential für das EBIT gibt. Ich gebe der Aktie, aber auch dem Management und dem Unternehmen, Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Mein Kursziel für Ende des Jahres liegt bei 44 Euro.
  • Haemato hat 2016 ein Umsatzwachstum von 20 Prozent und ein EBIT-Wachstum von 63 Prozent geschafft, das sind Spitzenwerte (Link)! Der Kurs versucht sich derzeit daran, den Widerstand bei 7 Euro zu knacken, angesichts eines KGVe von 14, einer Dividendenrendite größer 4 Prozent und zweistelligem Wachstum stehen die Chancen dafür gut. Seit Kauf hat die Aktie bereits um 38 Prozent im Wikifolio zugelegt.

Neutrale Meldungen:

 

Die Zahlen von Amadeus Fire, Dialog Semiconductor, Freenet und Francotyp Postalia lagen im Rahmen der Prognosen und Markterwartungen. Aus diesem Grund möchte ich nicht im Detail auf sie eingehen, die Werte sind gute Haltepositionen.

 


Negative Meldungen:

 

Kurzfristig nicht zufriedenstellend bzw. mit Fragezeichen fielen die Zahlen von AT&S Austria und Softing aus.

  • AT&S Austria vermeldete 9-Monatszahlen bereits Ende Januar, der Umsatz stieg um 5,3 Prozent auf 615,1 Mio. Euro. Gleichzeitig ging das EBIT auf EUR 11,8 Mio. zurück, wobei die gestiegenen Abschreibungen auf Chongqing in Höhe von 90.3 Mio. Euro kräftig zuschlugen. Das bedeutete letztendlich, dass aus einem positiven Konzernergebnis der Vorjahresperiode (60,2 Mio. Euro) ein Verlust in Höhe von -19,7 Mio. Euro wurde. In Folge dessen sind die Erwartungen an das Unternehmen stark gefallen. Für das 4.Quartal rechnet man mit keiner Verbesserung, so dass am Ende die Konsensschätzung bei einem Verlust von -0,61 Euro je Aktie liegt. Für das Folgegeschäftsjahr erwartet man gerade eben schwarze Zahlen (0,08 Euro je Aktien, Quelle: 4-traders.com).
  • Softing wurde nach Vorlage der Zahlen abgestraft, der Kurs gab von 12,50 auf 10 Euro nach. Sowohl Status quo als auch Ausblick enttäuschten den Markt und es gab ebenfalls deutliche Kritik am CEO. Auf der Webseite von Softing findet man die Einschätzungen der üblichen Börsenblätter (Link) und in den Internetforen bei Ariva, Wallstreet Online und diversen Blogs durchaus lesenswerte Beiträge, die dazu Hintergrund und Meinung liefern (Beispiel: Michael Kissig). Nachdem zuvor das Sentiment sehr bullisch war, ist es nun fast vollständig ins Negative gekippt und es hagelt Verkaufsempfehlungen.

An beiden Aktien halte ich aber nach reiflicher Überlegung weiter fest.

 

Der Kurs von AT&S Austria preist momentan lediglich die temporär geringe Profitabilität ein. Die Aktie ist aber fundamental billig (EV/EBITDA, KBV), was die Risiken reduziert und die Chancen durch den Eintritt in den Markt der IC-Substrate gibt es für umsonst. Außerdem wird ein vernünftiger Cashflow erwirtschaftet, so dass die Rückführung der Kredite sicher erscheint und der Unternehmenswert langfristig weiter steigt. Eine Neubewertung der Aktie kann jederzeit starten.

 

Der Kurs von Softing ist zu Recht unter die Räder gekommen. Der sehr überzeugende Auftritt des CEO auf dem Eigenkapitalforum und die nachvollziehbaren Pläne und Prognosen in USA stehen im Widerspruch mit den erzielten Ergebnissen. Soweit so schlecht. Auf der anderen Seite ist das Unternehmen profitabel, technologisch am Puls der Zeit und die Vorleistungen in die Entwicklung von Softwarelösungen in den verschiedenen Geschäftsbereichen sehe ich als werthaltig an. Sowohl das Geschäft mit Rockwell Automation als auch mit der Ölbranche werden wieder anziehen. Ich gehe davon aus, dass genau jetzt die Nacht am dunkelsten ist.

Ob ich damit Recht behalten werde, wissen wir in 6 bis 12 Monaten.

 

Und damit kommen wir zu den Special Situations im März: die Shortattacke auf Aurelius und das Übernahmeangebot für Biotest.

 


ANGRIFF UND VERTEIDIGUNG

 

Die Beteiligungsgesellschaft Aurelius hat in den letzten Jahren eine sehr erfolgreiche Entwicklung genommen. Im Wikifolio ist die Aktie seit dem Jahreswechsel 2014/15 zu Kaufkursen um die 30 Euro vertreten. Zum Jahreswechsel vermeldete man den Abschluss des bisher größten Zukaufs in der Unternehmensgeschichte: Office Depot Europe mit ca. 2 Mrd. Euro Umsatz. Insgesamt wurden in 2016 sogar acht Unternehmen übernommen und sieben Verkäufe realisiert. Auch Anfang 2017 blieb das Tempo hoch: die Übernahme von AH Industries und Wex Photographic wurden bereits vermeldet. Mitten hinein in den weiter steigenden Aktienkurs bis Mitte März kamen dann die Anschuldigungen von Gotham City Research.

 

Obwohl Aurelius auf den Bericht mit einer Erwiderung zeitnah reagierte, stürzte der Kurs der Aktie bis auf 35 Euro ab. Ähnlich wie bei Ströer und Wirecard zuvor, kannte die Verkaufslawine zunächst kein halten. Die folgende Telecon mit dem Vorstand, die Ankündigung eines Aktienrückkauf-Programms und die spätere Veröffentlichung der Jahreszahlen am 29.03. konnten den Kurs in der Folge um die 40 Euro stabilisieren, allerdings auch nicht wieder in alte Kursregionen jenseits der 50 Euro bringen.

 

Es ist bereits sehr viel zum Thema geschrieben worden, daher möchte ich meine persönliche Bewertung relativ kurz halten und darauf hinweisen, dass meine Schlussfolgerungen auch falsch sein können.

  • Gotham City wählte geschickt ein geeignetes Angriffsobjekt, da der Aktienwert der Aurelius von erfolgreichen Exits bestimmt wird und nicht in erster Linie von den operativen Ergebnissen der Portfoliounternehmen.
  • Die aufgedeckten "Diskrepanzen" im Research-Report drehen sich einerseits um Fragen der Bilanzierung (IFRS vs. GAAP, verschiedene Zeiträume) sowie andererseits um die Praxis der Bargain Purchases (negativer Goodwill). Ziel ist es Misstrauen zu säen.
  • Als zweite Front wird die Berechnung des NAV der Holding eröffnet und es wird der Anschein erweckt, dass Aurelius die Beteiligungen zu positiv darstellt. Auch der Vorwurf, dass die Sanierung vieler Unternehmen nicht gelingen würde (Insolvenz nach Verkauf an einen weiteren Erwerber) sollen im Kern einen Betrug unterstellen.
  • Last but not least werden Eventualverbindlichkeiten und Gerichtsprozesse als Risiko für das Unternehmen skizziert. Damit sollen Investoren in Angst versetzt werden und passend dazu wurde ein Kursziel von unter 10 Euro genannt.

Zu allen obigen Punkten - Bilanzierung, Darstellung, Risiken -  hat Aurelius nachfolgend sachlich und nachvollziehbar geantwortet (Link1, Link2). Sind die Punkte damit entkräftet und endgültig erledigt? Sicher nicht, wie auch der zweite nachgeschobene Report von Gotham City zeigt bleiben Interpretations-Spielräume, eine zerstörte Aktienstory und die Unsicherheit der Investoren, ob das Modell Aurelius weiter so funktionieren kann, wie vor der Attacke.

 

Es gibt außerdem auch Fragen und Aspekte, auf die Aurelius und das Management meiner Meinung nach unzureichend reagiert haben.

  • Die Frage des CFO und dessen Rolle in der Holding.
  • Das hohe Volumen an Insiderverkäufen im Dezember und die fehlende detaillierte Erklärung, warum sie stattfanden.
  • Der Beschluss zu einem Aktienrückkaufprogramm als Abwehrmaßnahme einerseits, aber die Vernachlässigung des Themas Börsensegment und Verbesserung der Transparenz andererseits.

Ich weiß natürlich nicht, ob Aurelius mit rückhaltloser Offenheit und agressiver Vorgehensweise hier Schaden für die Aktionäre abgewendet oder weiteren bewirkt hätte. Aber man stelle sich vor, was auf die folgenden hypothetischen Pressestatements mit den Leerverkäufern passiert wäre:

 

"In der Frage der Insiderverkäufe erklärte das Management: Als aktiver Investor mit Erfahrung in Unternehmensbewertung und langfristigem Investmenthorizont sind wir Ende 2016 zur Meinung gelangt, dass der Aktienkurs der Aurelius SE kurzfristig in eine Übertreibungsphase hineinläuft und haben daher Anteile verkauft. Wir sind weiter mit x Millionen Euro in Aurelius investiert und sind der festen Überzeugung, dass die Aurelius SE in den nächsten 3 Jahren eine Marktkapitalisierung von 2 Mrd. Euro erreichen kann. Das entspricht einem Kurspotential von y Prozent bezogen auf den gestrigen Schlusskurs bei unveränderter Aktienzahl."

 

"Sowohl bezüglich der Auditierung und Bestätigungsvermerke durch Wirtschaftsprüfer als auch bezüglich einer verbesserten Transparenz für unsere Investoren ist Aurelius im Gespräch mit verschiedenen Parteien. Kurzfristig strebt Aurelius die Aufnahme in den Prime-Standard an, sowie die Aufnahme in den SDAX und stellt sich der Herausforderung, der damit einhergehenden Reporting-Pflichten."

 

Als Value-Investor bin ich der Meinung, dass es die Glaubwürdigkeit eines Managements erhöht, wenn es auf eine Überbewertung hinweist und ich denke, dass die Irrationalität am Kapitalmarkt - insbesondere sogenannte kritische Researchberichte von Leerverkäufern, die nicht zuvor mit dem Management diskutiert wurden aber auch Analystenberichte, die eine Aktie in den Himmel loben und Kursziele jenseits der 80 Euro auf Sicht von wenigen Monaten ausgeben - mit Argumenten und Taten bekämpft werden müssen.

 

Wie geht es nun weiter? Der Aktienkurs wird um die 40+x Euro pendeln, weil die Investoren einen Risikoabschlag vornehmen bzw. die Chancen des Unternehmens geringer einschätzen, weiter erfolgreich zu sein. Gelingt es der Aurelius Holding und den Portfoliounternehmen in 2017 erfolgreich zu agieren - operativ voranzukommen und mit profitablen Verkäufen - wird der Aktienkurs Ende des Jahres vermutlich wieder an der 50 Euro Grenze kratzen.

 

Damit kommen wir last but not least zu Biotest. In einer Pressemeldung vom 07.04. wurde ein öffentliches Übernahmeangebot seitens der CREAT Group Corporation angekündigt. Der chinesische Investor will mindestens 75 Prozent der Stammaktien übernehmen und bietet für diese 28,50 Euro (ein Aufschlag von über 50 Prozent zum damaligen Kurs).

 

Für die Vorzugsaktien hingegen, die auch in meinem Wikifolio vertreten sind, werden lediglich 19 Euro geboten, gegenüber dem damaligen Kurs an der Börse nahezu kein Aufschlag. Vorstand, Aufsichtsrat und Großaktionär ist das egal und sie begrüßen und unterstützen das Übernahmeangebot, trotz der hohen Spanne zwischen den Aktiengattungen. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass stimmrechtslose Vorzugsaktien mit einem Kursabschlag gehandelt werden (andererseits wird ja normalerweise eine leicht höhere Dividende gezahlt), im Falle von Biotest sieht es aber eher so aus, als soll die Transaktion besonders schnell über die Bühne gehen und daher das hohe Gebot für die Stammaktien. Ich warte hier zunächst einfach ab, getreu Konfuzius der sagte, dass man langsam gehen soll, wenn man es eilig hat. Der profitable Umbau von Biotest hat nämlich gerade erst begonnen (Link).

 


SCHLUSSBEMERKUNG

 

Der Quartalsbericht ist diesmal aufgrund der Berichtssaison und überraschenden Wendungen umfangreicher ausgefallen und im Format auch etwas anders als sonst üblich. Ich hoffe, er war trotzdem informativ und interessant zu lesen. Für die meisten Werte meines Wikifolios bin ich nach wie vor sehr optimistisch, was die mittelfristigen Chancen anbelangt. Ob die Problemkinder sich berappeln, ist natürlich eine genauso spannende Frage und darüber berichte ich selbstverständlich im nächsten Bericht an dieser Stelle. In Summe finden sich im Wikifolio derzeit Wachstumswerte, Turnaroundaktien und Sondersituationen wieder, das ergibt einen spannenden Mix und ist nichts für schwache Nerven.

 

Erfolgreiche Investments wünscht,

Covacoro

 

 

 

"Both poker and investing are games of incomplete information.

You have a certain set of facts and you are looking for

situations where you have an edge, whether

the edge is psychological or statistical."

 

David Einhorn


Kommentar schreiben

Kommentare: 0