Am 7.06. fand in Berlin die ordentliche Hauptversammlung der Francotyp Postalia AG statt, an der ich teilgenommen habe.
Den Weg ins Ludwig Erhard Haus hatten ca. 60 Aktionäre, Mitarbeiter und Investoren gefunden, vom Grundkapital der AG waren damit ca. 45 Prozent anwesend.
Zuvor galt es aber noch eine kleine Hürde zu nehmen: Obwohl ich die Eintrittskarte rechtzeitig über meine Depotbank bestellt hatte (Stichtag: 31.05.), lag diese bis zum 6.Juni nicht in meinem Briefkasten. Also mußte ich meine Depotbank bemühen, um die Eintrittskarten-Nummer zu erfahren. Mit dieser Nummer und dem Personalausweis erhält man dann am Morgen der HV die Stimmunterlagen vor Ort ohne Probleme.
Der Brief der Deutschen Post traf dann übrigens 2 Tage später doch noch ein und wie ich dem Frankier-Stempel entnehmen konnte, wurde er durch Williams Lea, einer 100% Tochter frankiert und konsolidiert. Trotzdem ist eine Brieflaufzeit von mehr als 1 Woche indiskutabel und weit entfernt vom ehemaligen Versprechen der Post, dass jeder Brief am nächsten Tag beim Empfänger ist.
Da kann man dem Dienstleister Computershare, der für den Versand der Unterlagen zuständig ist und dies für zahlreiche deutsche Unternehmen übernimmt, nur raten, sich an Freesort und FP zu wenden, denn die Konkurrenz der Post schläft nicht und ist teilweise deutlich schneller: Postmodern, Postcon oder P2 bieten darüber hinaus günstige Preise.
Aber zurück zur Hauptversammlung, die der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Röhrig kurz nach 10 Uhr eröffnete und souverän leitete.
Nach den üblichen Informationen und Formalitäten erstatteten zunächst die drei Vorstände Günther, Grethe und Meise Bericht über ihre jeweiligen Ressorts und ein für das Unternehmen erfolgreich verlaufenes Jahr 2016. Wer einen langweiligen Vortrag bekannter Fakten erwartet hatte, wurde positiv überrascht. Sowohl die Einbindung eines Nachrichtensprechers mit Meldungen zum Unternehmen als auch von Videomaterial lockerten den Vortrag auf.
Dabei ging es einerseits um die Zahlen für 2016: Der Umsatz stieg um 6.2 Prozent auf 203 Millionen Euro, es wurde ein EBITDA von 27.2 Mio. Euro erzielt und das Konzern-Ergebnis stieg um 66 Prozent. Der Free Cashflow erreichte 4.6 Mio. Euro, bringt man die Aufwendungen für den Erwerb der restlichen Minderheitenanteile IAB und die Investitionen in Finance Lease Assets zum Abzug erreichte er sogar 9.5 Mio. Euro.
Andererseits beschäftigte man sich erneut mit dem bereits in 2016 kommunizierten Credo: das Alte ist auch das Neue. Die Mythen über Francotyp Postalia und den Markt wurden 2016 hinterfragt und gerade gerückt:
- Der Frankiermaschinen-Markt hat Zukunft.
- FP wächst im Kerngeschäft.
- Die Digitalisierung kommt nicht über Nacht.
Die neue Wachstumsstrategie ACT trägt diesen Erkenntnissen Rechnung und der Vorstand wies darauf hin, dass man sich erst am Beginn - in Runde 1 - des Wandels zu einem Wachstumsunternehmen befindet. Um nachhaltig Erfolg zu haben, benötigt FP die Unterstützung aller: der Mitarbeiter, Kunden, Banken und Investoren. Und es ist Zeit und Engagement nötig, bis sich in allen Kennzahlen eine Verbesserung zeigen wird.
Die Vorstandsetage jedenfalls hat sich gefunden, arbeitete auch während der HV gut zusammen, zum Beispiel bei der Beantwortung der gestellten Fragen, und kann ihren Optimismus für 2017 und darüber hinaus begründen und immer besser vermitteln.
Dieses positive Momentum ist wichtig, denn FP hat sich mit den Zielen für 2020 und 2023 weit aus dem Fenster gelehnt (Umsatzverdoppelung auf 400 Mio. Euro und EBITDA Marge von 20%, d.h. ein Ergebnis je Aktie von >1 Euro). Das Schwert Excalibur, das seinem Besitzer übermenschliche Kräfte verleihen konnte, wurde jedenfalls bereits im Geschäftsbericht gesichtet und Box-Handschuhe zierten das Podium der HV.
Aber zurück auf den Boden der Realität, welche harten Fakten und Beobachtungen konnte man berichten, welche Erfolge wurden erzielt?
Zunächst ist festzustellen, dass die Wettbewerber Pitney Bowes und Neopost den Absatz ihrer Frankiermaschinen im letzten Jahr nicht steigern konnten - im Gegensatz zu FP. Damit ist klar, dass man Marktanteile hinzugewonnen hat. Wieviele Prozent-punkte wollte man aber auf der HV noch nicht verraten. Man startet von ca. 10 Prozent und die Sichtweise auf FP beginnt sich im In- und Ausland, bei Händlern, Kunden und Investoren langsam zu wandeln.
Es werden endlich auch die Wachstumschancen gesehen, da 90% des Marktes noch erobert werden können und vor allem das Segment für kleinere Briefmengen noch wächst, in dem FP positioniert ist. Es wird positiv aufgenommen, dass es mit FP ein Unternehmen gibt, das investiert, die Produkte weiterentwickelt und den benötigten Support bietet. FP ist laut Vorstand Grethe erfolgreich, weil man den besten Service und das beste Produkt anbietet und nicht, weil man den niedrigsten Preis verlangt.
In der Schweiz konnte man vor kurzem die 1000ste Postbase ausliefern und erreichte damit innerhalb von 1.5 Jahren einen Marktanteil von 3 Prozent. Aus Japan kommen positive Rückmeldungen und man wird in Q3/Q4 2017 die Postbase Mini gemeinsam mit der japanischen Post zertifizieren. In USA traf man sich mit insgesamt ca. 75 Händlern, von denen einige mit der Konkurrenz nicht mehr zufrieden sind. Die Händler suchen nach einem Partner, der an den Markt glaubt und neue Lösungen erarbeitet, statt das Frankier- und Kuvertiermaschinen-Geschäft nur zu verwalten. Sie können für FP gewonnen werden und darum glaubt man an weiter steigende Absatz-Zahlen.
Das Programm ACT ist mehr als eine fesche englische Abkürzung, sondern es werden tatsächlich neue Geschäftsmodelle, Produkte und Chancen ausprobiert. Zwar ist es gegenwärtig noch zu früh, über einzelne Projekte im Detail zu berichten, aber FP verfügt über das Knowhow, die Vernetzung und Kommunikation im Internet der Dinge zu gestalten und man ist darüber in Kontakt mit etablierten und jungen Unternehmen. (Zu diesem Gedankengang siehe auch meinen letztjährigen Artikel: hier). FP Fit hat ja bereits Verbesserungen erreicht, unter anderem im Steuermanagement, der Abschluß einer neuen Finanzierung und der Aufbau eines Währungsmanagements.
Mail Services als zweiter Geschäftsbereich ist in 2016 mit +17% stark gewachsen und die Freesort-Zentren werden nun mit modernen Druckern und Scannern weiter aufgerüstet. Die Zahl der bewältigten Sendungen erreichte den neuen Rekord von 215 Millionen. Im Bereich Software hat man mit FP-Sign erfolgreich eine cloudbasierte Signatur-Lösung auf der CEBIT vorgestellt. Da hierfür keine Software-Installation nötig ist, kann das Verfahren von verschiedensten Partnern (Unternehmen, Privatpersonen oder Behörden) nach Registrierung sofort genutzt werden, um digital Dokumente auszutauschen, zu verifizieren und zu unterschreiben. Derzeit werden zum Beispiel bei Vertragsverhandlungen oder Ausschreibungen die digital erzeugten Dokumente mehrfach auf Papier ausgedruckt, an verschiedene Empfänger verschickt, mehrfach korrigiert, unterschrieben und erneut ausgetauscht. Ein durchgängig digitaler, sicherer Prozess führt hier zu deutlicher Zeit- und Kostenersparnis und wird mit FP-Sign möglich.
Last but not least hatte ich Gelegenheit zu einem Gespräch mit Frau Prüser von Investor Relations. Sie bestätigte, dass das allgemeine Interesse und die Anzahl der Anfragen an FP im vergangenen Jahr zugenommen hat. Man wolle weiter in Kontakt bleiben mit privaten und institutionellen Investoren und denke stets über neue, zweckmäßige Formen des Austauschs nach. Nach der Überarbeitung des Internet-Auftritts ist man auch offen für Vorschläge, die dazu an die IR herangetragen werden.
Fazit: Die diesjährige HV der Francotyp Postalia AG ist reibungslos verlaufen, war informativ und die anwesenden Aktionäre stimmten daher den einzelnen Punkten der Agenda mit großer Mehrheit zu. Nicht immer gelingt ein so ausgewogener Mix aus Optimismus, Dynamik und Bodenständigkeit bei einer Veranstaltung einer deutschen Aktiengesellschaft.
(c) 2017 Covacoro
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Prof (Samstag, 10 Juni 2017 16:41)
Danke für den interessanten und erfrischenden Bericht!
"Insgesamt ist man daher für 2017 für alle drei Geschäftsbereiche optimistisch und die Q1-Zahlen sind ja bereits erfreulich ausgefallen (Umsatz: +8%, EBITDA stabil trotz höherer Investitionen)."
Eine geringere Marge bei erhöhtem Umsatz macht mich stets erst einmal vorsichtig. Da ja gewisse Fixkosten konstant bleiben, sollte es anders sein. Ok, es gibt auch Gegenbeispiele wie Amazon. Dort wurde jahrelang nur der Umsatz ausgeweitet.
Die Aktie hat den Quartalsbericht und den Dividendenabschlag gut verkraftet und läuft nach oben. Darum bleibe ich dabei.
Covacoro (Samstag, 10 Juni 2017 18:44)
Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn der Kurs jetzt bei 6 Euro erstmal seitwärts laufen würde, bis erkennbar wird, wie das Gesamtjahr ausfällt und ob die Prognose eventuell noch angehoben werden kann.
Aus meiner Sicht ist die Aktie fundamental immer noch günstig zu haben: EV/EBITDA bei rund 4 und KGVe für laufendes Jahr 17 und für nächstes Jahr ca. 13. Also bleibe ich geduldig dabei.
Covacoro (Donnerstag, 22 Juni 2017 22:00)
HV-Bericht zu FP von GSC Research:
http://www.gsc-research.de/gsc/research/hv_berichte/detailansicht/index.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=77293&tx_mfcgsc_unternehmen%5Buid%5D=3507&cHash=63157211f4