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Geiz ist nicht geil - oder warum MiFiD II den falschen Schwerpunkt setzt

Seit Anfang des Jahres ist sie in Kraft: die 2.Version der „Markets in Financial Instruments Directive“ - kurz MiFiD.

 

Auf 7000 Seiten definiert und reguliert die Richtlinie, was unsere Behörden unter Transparenz verstehen. Denn so lautet ein viel zitierter Satz: "nur Transparenz könne das durch die Finanzkrise getrübte Vertrauen in die Branche wiederherstellen."

 

Und nun liegt der Schwerpunkt der neuen Richtlinie auf den Kosten der Geldanlage: Wer bezahlt was und wie sind die Zahlungsströme zwischen Kunde, Broker und Investment-Manager? Wer bezahlt das Investment-Research und aus welchem Topf? Welche Zuwendungen und Provisionsmodelle gibt es?

Etc. ...

 

Andererseits muss alles noch umfassender protokolliert, dokumentiert und bekannt gemacht werden. Die Anforderungen an die Aktualität und den Umfang der Produktinformationen und Factsheets steigen, man dokumentiert fleißig, welche Beratung erfolgte oder auch nicht.
Etc. ...  

 

Wer eine positive Sichtweise auf die Richtlinie behalten will, dem empfehle ich zur Lektüre den Artikel im Handelsblatt und im Blog des Finanzwesirs. Mehr ist Positives nicht zu sagen.

 

Ich bin der konträren Meinung, dass MiFiD II eine grosse Nebelkerze ist und die falschen Akzente setzt: Die Transparenz, die wir dringender benötigen, liefert diese Richtlinie nämlich gerade nicht!

 


VERTRAUENSVERLUST wegen zu hoher Kosten?

 

Meine kritische Meinung zu MiFiD II kommt sicher daher, dass es für Privatanleger mit etwas Recherche und Nachdenken auch bisher möglich war, die Kosten ihrer Geldanlage und das Geschäftsmodell der dabei involvierten Akteure an den Finanzmärkten zu begreifen.

 

Das Gebührenmodell des eigenen Brokers konnte man verstehen, die laufenden und die einmalig anfallenden Gebühren eines Fonds- oder ETF-Kaufs hielt das Kleingedruckte bereit. Wie vermeintlich "kostenlose" Aktionen und Produkt-Angebote mittels Rückvergütungen, Zuwendungen und Provisionen finanziert wurden und werden, war ebenfalls nichts Neues und spätestens seit es Werbung, Versicherungen, Beratung jeder Art am Markt gibt Normalität. Da waren und sind Banken und die Finanzbranche keine Ausnahme. Und schließlich müssen auch diese Unternehmen Geld verdienen, Gehälter zahlen, in Technik investieren.

 

Haben Anleger im Rahmen der Finanzkrise wirklich das Vertrauen in ihre Banken, Berater und Fondsmanager verloren, weil ihnen plötzlich bewußt wurde, wie hoch die Kosten der gehaltenen Produkte sind - egal ob Zertifikat oder aktiver Investmentfonds? Wie interessiert waren sie daran, dass europäische Geldhäuser inklusive der Landesbanken in Skandale und unethische Praktiken und Geschäfte verwickelt waren? Haben sie danach eingefordert, dicke Papierstapel pro Auftrag zu erhalten, die in Juristensprache alle Eventualitäten diskutieren?

 

Sicher nicht.

 

Wenn es einen Vertrauensverlust gab, dann durch die Pleite von Lehman Brothers und den Zahlungsausfall der emittierten Zertifikate (Schuldverschreibungen derselben Bank) bei Kleinanlegern. Wenn es einen Vertrauensverlust gab, dann aufgrund der Rettung der Groß-Banken durch Rettungsschirme finanziert durch die Steuerzahler bei gleichzeitigem Fallenlassen der kleinen Gläubiger ohne Lobby. Wenn es einen Vertrauensverlust gab, dann aufgrund der Verschleierung der tatsächlichen Risiken bestimmter Produkte und bestimmter Geschäfte.

 


DIE TRANSPARENZ, DIE WIR BENÖTIGEN

 

Also kann man es ganz einfach auf den Punkt bringen: Die privaten Geldanleger wollen vor allem anderen eine faire und verständliche Information und Aufklärung über die tatsächlichen Risiken der jeweiligen Anlageprodukte und über die Absichten und Solidität des Geschäftspartners (der Bank, der Investmentgesellschaft etc.).

 

Das ist die Transparenz, auf die es ihnen zuallerst ankommt.

 

Und nicht, dass sie möglichst billig Produkte kaufen können, die sie nicht verstehen. Oder die Information erhalten, wie ein Sonderangebot zustande kam und finanziert wird, sondern ob es zu ihren Bedürfnissen und Anlagezielen passt.

 

Wollte man das umsetzen, müßte man regeln, dass alle Anbieter verständliche und gleichartige Risikoangaben machen (in Heller und Pfennig sowie Prozent auf einen Anlagebetrag) und es wäre Schluss mit Risikoklasse 1 bis 6 und ellenlangen Texten mit Konjunktivsätzen. Denn die Papierberge im Rahmen von MiFiD werden wohl noch weniger gelesen werden als die Angaben auf den Beipackzetteln von Medikamenten .

 

Man könnte und müsste simplifizieren und kürzen. Beispielsweise einfordern, dass für 1-, 3- und 5-Jahres-Zeiträume der zwischenzeitliche Verlust (Drawdown) und die Schwankungs-breite (Volätilität) ausgewiesen werden, statt mit Renditen und Performancezahlen eines Backtests werben zu dürfen. Jeder Produktanbieter muss diese Angaben außerdem am Jahresanfang für das zurückliegende Kalenderjahr veröffentlichen und mit den Anlagezielen vergleichen.

 

Die Anleger wissen längst, dass Rendite und Risiko zwei Seiten einer Medaille sind. Wenn sie sich aber über das Risiko eines Produkts informieren wollen, benutzt jeder Finanzprodukt-Verkäufer unterschiedliche Zahlen, verschiedene Maßstäbe (zeitlich und als Benchmark) oder spart sich quantitative Angaben ganz zugunsten von schwammigen Aussagen.

 

Was nützt den Kunden der Satz "Vergangene Wertentwicklung ist keine Garantie für zukünftige Performance ..." und eine Verlustschwellen-Information? Nichts. Dabei hat die Wissenschaft längst geklärt, wie man risikoadjustierte Renditen berechnet und welche Kennzahlen in einen Portfolio- oder Produktreport gehören. Und warum gestattet man immer noch das Benchmark-Wirrwarr, wenn wir doch längst wissen und akzeptiert haben, dass der Grossteil der Anleger (mehr oder minder zurecht) die heimischen Tagesgeldzinsen als risikolose, schwankungsarme Assetklassen-Referenz und die großen Aktienmarkt-Indizes als risikobehaftete, schwankungsreichere Assetklassen-Referenz benutzt?

 

Ja, wir könnten einem Nischenprodukt beim Performance-Vergleich etwas Unrecht tun. Na und, beim Risiko tun wir es jedenfalls nicht, da ist die richtige Benchmark die bekannte, breit diversifizierte Anlage. Bliebe der Einwand: auch diese Kennzahlen kann man nicht einfach in die Zukunft fortschreiben und das könnten die Kunden fälschlicherweise tun. Schon richtig, das kann man aber für gar nichts sagen: weder die Kosten, noch die Performance, noch die Korrelationen oder Risiken kann man mit Sicherheit prognostizieren. Also bleibt nur das Feststellen des Ist-Standes.

 

Ich gehe außerdem davon aus, dass immer mehr Anleger Transparenz einfordern, was mit ihren Anlagegeldern und Ersparnissen tatsächlich angefangen und bewirkt wird und auf die Reputation des Produkt-Anbieters immer mehr Wert gelegt wird. Es gibt bereits Banken und Anbieter, die die Verwendung der Anlagegelder sehr transparent handhaben (Digitalisierung sei Dank) und das Interesse an P2P-Krediten, so kritisch man diese sehen kann, zeigt wie die Anleger ticken.

 


FAZIT

 

Die europäische MiFiD-Richtlinie reguliert das Wachstum der Bäume, obgleich der Anleger vor allem wissen will, wessen Wald er betritt und wie oft mit Windbruch zu rechnen ist. Erst dann kommen Rendite und Kosten - nach der Risikofrage.

 

Für klare, verständliche Informationen vor und während eines Investments und eine gute Beratung wäre mancher Kunde vielleicht sogar bereit, höhere Kosten und den Rat eines Beraters zu akzeptieren. Freilich müßte er das Gesamtpaket aus emotionaler und risikoadjustierter Rendite betrachten und wissen, was er will.

 

Unabhängig von diesem Punkt steigert MiFiD II die Bürokratie drastisch und erzeugt Kosten. Diese tragen letztendlich die Kunden. Wo sie dazu nicht bereit sind, werden Anbieter und teure Produkte vom Markt verschwinden. Wenn das das Ziel der Richtlinie war, sollte man es auch klar benennen. Freilich wäre dann die Wiederherstellung des Vertrauens in die Finanzbranche als Ziel enttarnt: ein vorgeschobenes Feigenblatt. Dazu taugt die Richtlinie nämlich gerade nicht.

 

(c) 2018 Covacoro

 


 

"Das Rechte erkennen und nichts tun, ist Mangel an Mut."

 

Konfuzius

 

 


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Kommentare: 3
  • #1

    Atypisch Still Blog (Dienstag, 17 April 2018 07:38)

    Sehr schöne Kritik. Hier noch ein weiterer Unsinn, der mit Mifid 2 eingeführt wurde: https://boersengefluester.de/mifid-ii-anderungen-der-ticksizes/

    Es gibt wohl wenige, die sich bisher über zu kleine Sprunggrößen z.B. bei der Audi-Altie beschwert haben. Reguliert wurde es trotzdem :-D

  • #2

    Prof (Dienstag, 17 April 2018 10:07)

    Allein der Name ist schon derart abschreckend, dass man fühlt: Hier wurde wieder ein bürokratisches Monstrum aus der Taufe gehoben.

  • #3

    tbee (Freitag, 20 April 2018 13:51)

    Schöne Kritik - nur dein Beispiel mit den P2P Krediten passt imho nicht.
    Hier sucht das gro der Anleger auch das "sichere" Investment in Buyback "abgesicherte" besser versprochene Kredite mit "garantierten" Renditen von 12% und mehr... Dabei intressiert die wenigsten ob das payday loans, Auto"wrack"kredite, Immospekulationen oder Geschäftskredite sind (das mein ich jetzt nicht mal moralisch ;)).
    Wenns um Risikoanalysen und Ausfallwahrscheinlichkeiten geht (z.B.: https://wp.me/p9AJIt-7L) dann sind erst recht die meisten schon wieder raus aus dem Spiel, das sieht man auch schön daran welche P2P Plattformen neu auf den Markt kommen bzw. die größten Wachstumsstory hinlegen - immer solche mit "Garantien"...
    [Dsiclaimer: Das war bewusst ein wenig überspitzt ;)]