Der Finanz-Code* ist im Mai 2012 im Finanzbuchverlag erschienen. Der Autor Howard Marks ist in Deutschland vielleicht nicht so bekannt wie Warren Buffett oder Peter Lynch.
In den USA gehört der Gründer und CEO von Oaktree Capital Management aber zu den Star-Investoren. Dies nicht nur wegen der langfristig guten Ergebnisse seiner Fonds, sondern vor allem auch wegen seiner monatlichen Memos.
Ich habe sie in meinem Blog ebenfalls schon in Rückspiegel-Artikeln kommentiert. Mit dem Buch kann man sie nun in konzentrierter Form nachlesen.
Die Investmentphilosophie von Howard Marks, die besonderen Wert auf Risikokontrolle und Nutzung der Ineffizienz der Märkte legt, ist für viele die moderne und vorbildliche Ausprägung eines Value-Anlagestils. Im Folgenden stelle ich sein Buch vor und einige der Regeln, die der Autor uns Lesern an die Hand gibt.
Der Inhalt im Überblick
Bevor ich auf einige Kernaussagen genauer eingehe, möchte ich hier das Inhaltsverzeichnis auflisten. Es gibt bereits einen guten Einblick, was man erwarten kann.
- Einleitung
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 1: Auf dem zweiten Niveau denken
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 2: Die Markteffizienz (und ihre Grenzen) verstehen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 3: Den Wert (Value) beachten
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 4: Die Relation zwischen Kurs und Wert beachten
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 5: Die Risiken verstehen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 6: Die Risiken erkennen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 7: Die Risiken kontrollieren
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 8: Auf Zyklen achten
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 9: Sich bewusst sein, dass das Pendel existiert
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 10: Negative Einflüsse bekämpfen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 11: Antizyklisch vorgehen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 12: Schnäppchen finden
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 13: Geduldigen Opportunismus zeigen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 14: Wissen, was Sie nicht wissen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 15: Ein Gespür dafür haben, wo wir stehen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 16: Die Rolle des Glücks zu schätzen wissen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 17: Defensiv investieren
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 18: Fallen umgehen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 19: Wert hinzufügen
- Der Finanz-Code – Regel Nr. 20: Alles zusammenfassen
Der Finanz-Code, das sind 20 Regeln zur Geldanlage. Jedes Kapitel ist dabei zwischen 8 und 20 Seiten lang. Howard Marks nimmt sowohl das Marktumfeld, als auch die Akteure selbst unter die Lupe. Was Erfolg oder Misserfolg bei der Geldanlage bestimmt, wird zu einer Philosophie verwoben, wobei er einfaches Schwarz-Weiß-Denken vermeidet. Wesentliche Teile des Buchs stammen wie bereits erwähnt aus den im Quartalsrhythmus veröffentlichten Oaktree Memos, die er über viele Jahre geschrieben hat und sind nun zu einem Ganzen zusammengefügt worden.
Ausgewählte Kernaussagen des Buches
Howard Marks ist der Überzeugung, dass es kein absolut sicheres Rezept für Investment-erfolg gibt. Nur einen Weg oder eine Philosophie, die uns dabei hilft, gute Entscheidungen zu treffen und Fehler zu vermeiden.
So sagt er in der Einleitung: "In guten Zeiten lernt man nur schlechte Lektionen: das Investieren einfach ist, dass man dessen Geheimnisse kennt und dass man sich über Risiken keine Sorgen zu machen braucht. Die wertvollsten Lektionen lernt man in schweren Zeiten."
Seiner Meinung nach ist die Definition erfolgreichen Investierens, besser abzuschneiden als der Markt und andere Investoren. Dabei ist er sich voll bewußt, wie schwer das ist. Bereits sein erster Grundsatz macht das deutlich.
Auf dem zweiten Niveau denken.
"Wer auf dem ersten Niveau denkt, sucht einfache Formeln und Antworten. Wer auf dem zweiten Niveau denkt, weiß, dass der Erfolg beim Investieren die Antithese zur Einfachheit ist."
Das bedeutet ganz praktisch, die Einschätzungen der Mehrheit ständig zu hinterfragen und den jederzeitigen Anspruch, weiter und tiefgründiger zu denken. Wenn beispielsweise der Kurs eines Unternehmens sinkt, weil dessen Gewinne niedriger ausfallen, würde Denken auf dem zweiten Niveau fragen: Werden die Gewinne so stark sinken, wie die Leute erwarten und es der Kurs nahelegt oder wird das Unternehmen positiv überraschen? Wann lohnt es sich, die Gegenposition einzunehmen?
Man kann nicht dasselbe tun wie andere und eine überdurchschnittliche Performance erwarten. Ziel des Denkens auf dem zweiten Niveau ist es deshalb, zu anderen, gut begründeten Beurteilungen über den Wert von Aktien zu kommen als der Konsens. Diese Urteile müssen öfter richtig als falsch sein. Dazu benötigt man analytische Fähigkeiten und den Mut, zu seiner Meinung zu stehen und entsprechend zu handeln.
Die Markteffizienz (und ihre Grenzen) verstehen.
Die Hypothese vom effizienten Markt verdient aufgrund ihres Einflusses auf die Geldanlage ein eigenes Kapitel. Die Kernaussage lautet, dass man den Markt nicht schlagen kann, weil sämtliche Informationen umgehend und effizient in den Marktpreisen berücksichtigt werden. Wenn es zu Diskrepanzen zwischen Kurs und Wert kommt, wird darauf reagiert und diese Diskrepanzen werden ausgeglichen.
Und in der Tat: viele Assetklassen und Märkte sind die meiste Zeit sehr effizient und werden von Heerscharen von Investoren und Analysten beackert und untersucht. Aber: Ineffizienzen können temporär vorliegen und nur wer sich die Mühe macht, danach zu suchen und Märkte oder Unternehmen aufspürt, die andere Investoren ignorieren oder gerade bewußt meiden, hat die Chance, falsch bepreiste Assets zu finden.
Die Effizienzmarkthypothese ist nämlich kein physikalisches Gesetz, das stets und immer gilt, sonst dürfte es nicht die zahlreichen Gegenbeispiele geben. Findet man ein vermeintliches Schnäppchen, sollte man sich unbedingt fragen, warum der Preis so niedrig ist. Liegt es am Risiko? Warum hat nicht schon ein anderer zugegriffen? Warum ist der Markt gerade nicht effizient?
Den Wert (Value) beachten.
Für den Autor ist die zutreffende Einschätzung des inneren Werts ein unentbehrlicher Ausgangspunkt für erfolgreiches Investieren. Ein Value-Investor muss versuchen, den aktuellen Wert des Unternehmens zu quantifizieren und dessen Aktien zu kaufen, wenn sie billig sind. Es wäre nun bequem zu sagen, dass dabei keine Mutmaßungen über die Zukunft benötigt werden, sprich dass die Bestimmung des inneren Werts absolut objektiv erfolgen kann.
Leider ist diese Voraussetzung aber nicht gegeben. Weder für Value-Investoren, die im Wesentlichen die "harten Assets" bewerten oder den Wert des Unternehmens bei einer Zerschlagung, noch bei Value-Investoren, die den zukünftigen Cashflow des Unternehmens in ihren Modellen berücksichtigen, um einen inneren Wert inklusive zukünftiger Rückflüsse und des Wachstums zu errechnen. Beide Typen müssen bestimmte Parameter schätzen oder unterstellen bestimmte Szenarien: ihre Schätzung des inneren Wertes ist daher niemals 100% objektiv und unterliegt Fehlern.
Außerdem gibt es einen zweiten Faktor, der die Kurse massiv beeinflußt: Psychologie. Während der Schlüssel zur Ermittlung des inneren Wertes die finanzielle Analyse ist, ist der Schlüssel für das Verständnis des Zusammenhangs zwischen Kurs und Wert das Denken anderen Investoren. Die Psychologie kann kurzfristig zu allen erdenklichen Kursen führen, unabhängig von den Fundamentaldaten.
Die Risiken kontrollieren.
Die Kapitel 5 bis 7 beschäftigen sich mit den Themen Risiken zu verstehen, zu erkennen und zu kontrollieren. Howard Marks vertritt an verschiedenen Stellen im Buch immer wieder die Meinung, dass es wichtiger ist, Risiken zu begrenzen, als hohe Renditen zu erzielen. Daher verwundert es nicht, dass er diesem Punkt soviel Raum gibt.
Für ihn ist das Risiko der interessanteste, herausforderndste und wichtigste Aspekt des Investierens. Er schreibt: "Wenn ein Portfolio gut durch schlechte Zeiten kommen soll, muss man die Risiken in der Regel gut kontrollieren. Wenn das Portfolio in guten Zeiten gedeiht, können wir allerdings nicht beurteilen, ob Risikokontrolle (a) präsent, aber nicht erforderlich war, oder (b) fehlte."
Ein exzellenter Investor kann dementsprechend jemand sein, der statt höhere Renditen als andere zu erzielen, die gleichen Renditen verzeichnet, aber mit geringeren Risiken. Marks betont, dass langfristiger Investmenterfolg eher über Risikokontrolle führt als über Aggressivität. Das Endergebnis wird seiner Meinung nach stärker durch die Zahl der Verluste (und ihre Größe) geprägt, als durch die Großartigkeit der Gewinne.
Sich bewusst sein, dass das Pendel existiert.
Dass die Wirtschaft Zyklen von Aufschwung und Rezession durchmacht, ist allgemein bekannt. Eine pendelähnliche Oszillation zeigt aber auch die Einstellung und das Verhalten der Investoren zum Kapitalmarkt. Während die Aversion vor Risiken Bestandteil eines normalen, rationalen Marktes ist, gibt es auch Phasen der Euphorie und des Mangels an Risikoaversion.
Verharmlosend könnte man es auch eine höhere Risikotoleranz oder starken Optimismus nennen, was in Aufschwungphasen die Oberhand gewinnt. Marks erklärt in seinem Buch die typischen Phasen der Hausse und der Baisse aus einem psychologischen Blickwinkel, also wieviele Investoren welche Risiken wahrnehmen und Positionen eingehen.
Aus dem Gleichnis des Pendels leitet er einige Eigenschaften der Börsenzyklen ab:
Das Pendel steht nie lange im Nullpunkt, Furcht und Gier wechseln einander ab. Wir wissen aber nicht, was dazu führen wird, dass der Schwung endet und die Gegenbewergung beginnt. Das Pendel kann
nicht ständig nur in eine Richtung schwingen oder im Extrempunkt ausgelenkt bleiben. Aber es kann eine gefühlte Ewigkeit sein, bis der Umschwung Fahrt aufnimmt. Gleichzeitig bedarf die
aufgestaute Energie bei einem weitem Schwung in Richtung Euphorie in der Regel einer um so größeren Korrektur in die Gegenrichtung. Wir wissen aber nicht, ob dies mit einer oder mehreren
Oszillationen von statten gehen wird.
Es gibt nur wenige Dinge, deren wir uns so sicher sein können, schreibt Marks: "Extremes Marktverhalten wird sich in sein Gegenteil verkehren." Wer meint, Trends bestünden endlos fort, riskiert hohe Verluste.
Antizyklisch vorgehen.
Woran erkennt man ein antizyklisches Investment, das den Namen wirklich verdient? Nicht daran, dass man eine Aktie einfach dann kauft, wenn sie zuvor im Kurs deutlich gefallen ist. Auch nicht daran, dass man Short geht, wenn eine Aktie oder ein Index eine gewisse Zeit angestiegen sind. Un auch nicht daran, dass man abwartet, bis das fallende Messer einen Boden gefunden hat und die Lage wieder bequem geworden ist.
Nein, Marks definiert antizyklisch investieren als die Aufgabe, fallende Messer zu fangen und zwar mit Geschick und Vorsicht! Damit nimmt er eine Außenseiterposition ein, denn wir alle kennen ja den Spruch: Greife nie in ein fallendes Messer.
Sein Vorgehen ist für die Psyche eines Investors herausfordernd und unbequem. Denn man muss sich eine Meinung zum inneren Wert des Assets bilden und dann bereit sein, zu kaufen, wenn die Mehrheit
noch verkauft (sonst würde ja der Kurs nicht weiter fallen). Marks sieht aber die höchsten Gewinne - in Kombination mit seiner Ansicht nach geringsten Risiken - in diesem Vorgehen, da er so
entsprechend große Positionen in einem Wert aufbauen kann.
"Die besten Chancen findet man meist bei den Dingen, die andere nicht tun."
Die Rolle des Glücks zu schätzen wissen.
Marks scheut auch an anderer Stelle nicht, von gängigen Paradigmen abzuweichen. So wird man wohl selten in einem Fondsbericht davon lesen, dass das Management bei der Auswahl seiner Performance-Hits einfach Glück gehabt hat.
Im Buch schreibt der Autor dazu: "Die Welt der Investments ist kein ordentlicher und logischer Ort, wo man die Zukunft vorhersagen kann und bestimmte Handlungen immer zu bestimmten Ergebnissen führen. Die Wahrheit ist, dass beim Investieren viel vom Glück abhängt."
Marks greift dabei Gedanken auf, die Nassim Taleb in seinem Buch "Fooled by Randomness" darlegt. Und er unterscheidet zwischen Investoren, die der "Ich weiß"-Schule angehören und solchen, die sich bewußt sind, was sie nicht wissen und das Prognosen einen beschränkten bis geringen Wert haben. Immer dann, wenn sie am wertvollsten wären (bei einem Regime- oder Trendwechsel) sind sie auch am wenigsten korrekt. Die "Ich-weiß-es-nicht"-Schule ist bereit anzuerkennen, dass Glück eine Rolle beim Investieren spielt.
Daraus abgeleitet: Ob die Resultate eines Investors von Können zeugen und er erfolgreich im Sinne von Marks ist, kann man nur über einen längeren Zeitraum beurteilen. Denn wenn man das Glück auf seiner Seite hat, kann man eine Weile richtig liegen, obwohl man den falschen Beweggrund hatte und die falschen Ansätze verfolgte. Kurzfristige Gewinne und Verluste können über die Wahrheit hinwegtäuschen.
Fazit
Ich konnte hier nicht auf alle Kapitel eingehen, denke aber meine Auswahl zeigt bereits auf, dass das Buch von Howard Marks ein ungewöhnliches und lesenswertes Buch über Geldanlage ist. Der Text ist gut lesbar, enthält Zitate und Ausschnitte seiner Investment-Memos. Der Leser fühlt sich ernst genommen, weil die Argumente sorgfältig formuliert und abgewogen daher kommen, Schwarz-Weiß-Denken vermieden wird.
Wer einen "Finanzcode" für erfolgreiches Investieren erwartet, wird aber enttäuscht werden. Denn das Buch erklärt nicht, wie man das nächste profitable Investment findet. Marks geht es stattdessen um die Vermittlung seiner Investmentphilosophie. Seine 20 Regeln sind dabei teils kontrovers und teils leicht nachvollziehbar.
Vielleicht ist es daher auch das größte Kompliment, dass John C.Bogle, der Mann hinter der ETF- und Indexfonds-Revolution, also der passiven Anlage, über das Buch schreibt: "Nur wenige Bücher über Investment erreichen die hohen Standards, die Howard Marks in Der Finanz-Code gesetzt hat ... Wenn Sie die Fallen des Investierens meiden wollen, müssen Sie dieses Buch lesen."
(c) 2018 Covacoro
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Konrad Gropius (Donnerstag, 30 August 2018 00:06)
Könnten Sie bitte auch auf das englische Original bei Amazon verlinken? Es ist mir lieber, das Original zu lesen.
Vielen Dank!
Covacoro (Donnerstag, 30 August 2018 19:43)
Hallo Hr. Gropius,
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MfG Covacoro