In einer Email schrieb mir ein Leser dieses Blogs sinngemäß:
"Der Sparplan für die ETFs ist eingerichtet und läuft. Ich habe auch Bitcoins und P2P-Kredite. Und wie geht es weiter?"
Hinter der Frage stand unausgesprochen, dass es außer Warten und Bloglesen nichts zu tun gäbe, wenn man erstmal die Grundlagen verstanden hat.
Der folgende Artikel liefert dazu 3 Vorschläge.
Mach einen Vertrag mit DIR SELBST
Wer sich belesen hat und der Meinung ist, dass er seine Strategie für die Geldanlage gefunden hat, sollte sich die Zeit nehmen und einen Vertrag mit sich selbst schließen.
In diesen "Vertrag" gehören all die unausgesprochenen Dinge hinein, die man mit sich selbst vereinbart hat oder glaubt befolgen zu wollen.
Natürlich im ersten Teil das Ziel der Geldanlage, der Anlagehorizont, die Aufteilung auf die verschiedenen Assetklassen, die momentane Einschätzung zur Risikobereitschaft bzw. -toleranz und die jährliche Sparrate und Renditeerwartung. Eigentlich alles Dinge, die man schnell parat und abrufbar haben sollte, wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat.
Wichtig ist ein zweiter Teil: Festzuhalten, welchen Fehlern oder Fallen man aus dem Weg gehen will - in ruhigen wie in chaotischen Zeiten. Aufzuschreiben, was man nicht macht, könnte sich als nützlich erweisen: Vor allem dann, wenn einmal Emotionen und Ängste ins Spiel kommen und je höher die investierten Summen werden, die im Feuer stehen. Dabei bitte nicht nur an den Crash denken ("Ich werde nicht verkaufen, sondern weiter sparen."), auch an den Boom ("Ich werde meiner Strategie treubleiben, auch wenn die Anlageklasse X (Gold, Öl, Bitcoin, Lithium, Rollstuhlhersteller ... etc.) in den Höhenflug übergeht.").
Im dritten Teil darf man festlegen, was neben den Grundprinzipien als Ausnahme-Regelung gelten soll und wann die Anlagestragie überprüft und angepaßt werden darf. Mancher ETF-Anleger hat ein kleines Aktien-Nebendepot, mancher Stockpicker deckt Anlageklassen mit ETF ab, mancher denkt, er müsse alternative Anlagevehikel nutzen etc.
„Der Kern einer Strategie besteht darin
zu bestimmen, was man nicht macht.“
Michael E.Porter
Das Alles kann man als Stichpunkte auf einem A4-Blatt festhalten, in Kalligraphie-Schrift und Leder eingebunden, als Memo in einer Datei oder als Poster an der Wand, aber in der Hauptsache schriftlich.
BAU DIR EIN NETZWERK AUF
Nichts leichter als das, werden manche sagen. In Zeiten des Internets, der Communities und Finanzblogs finde ich doch leicht Anschluss, kann mich austauschen oder einen schnellen Rat einholen.
Aber wie ist es um die Qualität dieser Kontakte bestellt? Wie gut kennen Sie diese Menschen? Würden Sie von Ihnen Ratschläge annehmen oder wollen Sie vor allem Bestätigung darin, was Sie sich bereits überlegt haben? Wer ist Coach und wer ist Schützling? Worauf gründet Ihr Vertrauensverhältnis?
Meine Erfahrung ist: Geldfragen zu besprechen ist schon "kompliziert" in der eigenen Familie. Und ohne das man mit einfachen Fragen anfängt, wird es fast unmöglich, wenn schwierige Probleme oder zum Beispiel ein hoher zeitweiliger Verlust an der Börse zu diskutieren und verkraften sind. Bei Geld hört die Freundschaft auf, sagt ein bekanntes Sprichwort.
Es kostet also Zeit, jemanden zu finden, mit dem man auf einer Wellenlänge ist und der einem die Wahrheit ins Gesicht sagt, wenn man es am Nötigsten hat. Ein oder zwei Vertraute in Geldfragen außerhalb der Familie und ohne "Beziehungsbalast" sind vielleicht später einmal Gold wert, wenn man selbst einen Rat oder eine Einschätzung benötigt, weil eine Situation schwierig ist.
Dazu müssen Sie schon heute aktiv werden und das Gespräch suchen, immer wieder und auch in persona und nicht nur virtuell über die Tastatur.
"Der Mensch, dem zu widersprechen man
die größte Furcht hat, ist man selbst."
Nassim Nicholas Taleb
Schaue bewusst über den TELLERRAND
Last but not least, sollte man nicht stehen bleiben und davon ausgehen, dass man mit einmaliger Anstrengung bereits die endgültige Strategie gefunden hat. Panta rhei - alles fließt. Die Finanzmärkte ändern sich, die familiären Verhältnisse, die eigene Risikotoleranz. Keine Strategie paßt auf alle Zeit - auch wenn es oft so kommuniziert wird.
Vielmehr sollte man sich als Gärtner verstehen, der sich regelmäßig um seine Pflänzchen, seine Investments, kümmern muss. Und wenn der Klimawandel oder Schädlinge anklopfen, dann muss man vielleicht auch seine Pflanzenwahl und Gartengestaltung überdenken. Oder die wuchernden Pflanzen zurückschneiden und verkümmerte Exemplare ausreißen.
Über den Tellerrand blicken heißt auch, dass man sich diejenigen Strategien anschaut und zu verstehen versucht, die man kritisch sieht bzw. bisher abgelehnt hat. Das ist viel spannender, als immer nur im eigenen Saft zu schmoren und hält auch Aha-Erlebnisse bereit.
Ebenfalls lohnend ist die Aufgabe, die eigene Performance für das Gesamtportfolio richtig zu überwachen, inklusive den Aspekten Risiko, Kosten, Gebühren- und Steuerbelastung. Für Index-Anleger ist das sicher weniger aufwendig als für Investoren in Einzeltitel. Letztere werden auch nicht umhin kommen, ihren Investmentprozess zu dokumentieren, um Fehlern auf die Spur zu kommen. Aber das ist eigentlich schon wieder ein neuer Artikel ...
"Immer dann, wenn Sie sich auf der Seite der Mehrheit wiederfinden, ist es Zeit innezuhalten und nachzudenken."
Mark Twain
FAZIT
So ist das mit der Geldanlage: Bei Licht besehen ist eine Strategie festlegen und diese zu implementieren nur der Anfang einer langen Reise. Und das gilt meiner Meinung nach unabhängig davon, ob man Anfänger oder Fortgeschrittener ist, in Einzelwerten aktiv anlegt oder sich passiv per ETF am Kapitalmarkt engagiert.
Wer momentan keine Fragen hat und mit sich und der Börse im Reinen ist: sehr schön. Dann lesen Sie ein gutes Buch, kümmern sich um Ihre Lieben und sich selbst. Ich bin mir aber sicher: Früher oder später werden Ihr Garten, Ihre Investments, Pflege benötigen. Bis dahin können Sie versuchen, ein besserer Gärtner zu werden und sich vorzubereiten. Ein paar Ideen konnte ich hoffentlich benennen.
Gute Reise!
(c) 2018 Covacoro
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Prof (Mittwoch, 19 September 2018 11:31)
Sehr unterhaltsam geschrieben, also:
1.) Strategie und Taktik festlegen
2.) Mit den richtigen Mitstreitern agieren, besonders wenn es mal schiefgeht.
3.) Die Strategie verfeinern
Kling alles ganz leicht, aber wenn es ans eigene Geldbeutelchen geht, wird selbst Punkt 1 schon schwierig. In zahlreichen Börsdenboards werden nur die eigenen (möglichst marktengen) Aktien angepriesen oder es herrscht ein unmöglicher Ton.
Punkt 3 ist selbstredend, allerdings ist es wichtig, nicht völlig von Punkt 1 abzukommen.