Clemens Bomsdorf ist Journalist und Nordeuropa-Kenner und um sein im Campus-Verlag erschienenes Buch So werden Sie reich wie Norwegen* soll es an dieser Stelle gehen.
Ich hatte es bereits im Sommer gelesen und dann zur Seite gelegt. Sowohl Titel als auch Untertitel sollen die deutschen Anlagemuffel zum Kauf verlocken: Ich finde Sie ein Ärgernis, weil sie so stark übertreiben.
Das gut recherchierte Buch ist voller Fakten, für Anfänger geeignet und sehr flüssig und leicht zu lesen. Statt auf diesen Nutzwert zu bauen, soll es über die Schlagwörter "reich" und "genial einfach" in den Einkaufskorb wandern.
Das finde ich schade und kurzsichtig. Wer Emotionen und genial einfache Rezepte sucht, Unterhaltung mit einer manchmal winzigen Prise Information, wird auf Youtube und vielen Seiten im Internet fündig.
Ein solider Ratgeber sollte sich in Titel, Aufmachung und Ton davon abheben, seriöser daher kommen und deswegen "genial einfach" nicht im Untertitel tragen. Ja, es verlangt eine längere Aufmerksamkeitsspanne ein Buch zu lesen, als im Internet nach Häppchen zu surfen. Ja, wenn man genauer hinschaut, ist Vermögensbildung doch etwas komplexer und viele neue Begriffe zu meistern. Aber genau da kann ein Buch ja ansetzen und überzeugen.
Das Finanzbücher gern mit Schlagwörtern vermarktet werden, ist freilich nicht neu. Die Jagd nach Impulskäufern könnte sich für die Verlage und Autoren nun als Bumerang herausstellen. Solange die Börsen im Aufschwung sind, verkauft sich Einfachheit gut. Wenn die Börsen fallen, klingen nicht nur die Untertitel hohl und falsch, sondern auch die Leser bleiben weg. Statt sich auf den Hosenboden zu setzen und die notwendigen Lektionen aus guten Büchern nachzuholen.
Nun aber zurück zum Inhalt des Buches, denn auf das Cover und Marketing hatte der Autor möglicherweise nur eingeschränkt Einfluss.
Ein ideales Vorbild um reich zu werden?
Eine Ungenauigkeit sollten wir gleich zu Anfang klarstellen.
Es geht nicht darum, wie Sie reich wie Norwegen werden. Dazu müsste Ihnen das Buch vermitteln, wie man eine Rohstoffquelle im eigenen Garten entdecken, erschliessen und ausbeuten kann. Vielleicht versuchen Sie es mal mit Lithium, Beryllium oder Kobalt. ;-)
Norwegen ist mit Öl reich geworden und der norwegische Staatsfonds speist sich aus den Profiten der Ölförderung. Das Buch stellt dar, wie Norwegen versucht, reich zu bleiben und die negativen Auswirkungen des Ressourcen-Reichtums zu minimieren. Letzteres bekannt als die holländische Krankheit mit eigenem Wikipedia-Eintrag. Dazu muss das Land einen hohen jährlichen Geldzufluss ausserhalb Norwegens investieren, denn das Zeitalter der Nutzung fossiler Brennstoffe ist endlich.
Der Autor betrachtet den norwegischen Staatsfonds aus sieben Gründen als ideales Vorbild für Privatanleger:
- Er ist erfolgreich.
- Er ist transparent.
- Er investiert in seriöse Anlageprodukte.
- Er hat die Kosten im Griff.
- Er legt das Geld so an, dass die Strategie ohne großen Zeitaufwand
nachgeahmt werden kann. - Er folgt ethischen Vorgaben.
- Er investiert fast ausschließlich in Aktien und Anleihen, die jeder kaufen kann.
Genau mit diesen Punkten muss sich jeder Leser und auch ein Rezensent auseinandersetzen. Wie man sie beantwortet, ob man dem Autor ganz oder teilweise zustimmt oder widerspricht, entscheidet für oder gegen ein Nachahmen der Strategie.
Schaut man sich vorhandene Rezensionen diesbezüglich an, so findet man vor allem Allgemeinplätze: Ein gutes Anfängerbuch, weil es viele Grundbegriffe erklärt (Boerse ARD), ein absolutes Highlight für Anfänger (Finanzrocker) oder auch: Man kann lernen den Home Bias zu bekämpfen und stärker zu diversifizieren (FAZ).
Werden die Grundthesen genauer unter die Lupe genommen und zum Beispiel Erfolg und Transparenz des Fonds kritisch betrachtet? Nein, leider Fehlanzeige, dabei könnte man doch gerade aus den Pro- und und Contra-Argumenten dieser Diskussion etwas lernen.
Diese Lücke möchte ich in den nächsten Wochen mit einer Artikelserie auf meinem Blog schließen. Sie ist wie folgt aufgebaut:
- Teil 1: Einstieg und Inhaltsüberblick
- Teil 2: Erfolg und Transparenz des Fonds
- Teil 3: Anlegen nach der norwegischen Finanzformel für Privatanleger
- Teil 4: Aus Fehlern anderer lernen und Gesamtfazit
Zum Abschluss des ersten Teils folgt nun noch ein Blick auf Gliederung und Inhalt der insgesamt 244 Seiten.
Der Inhalt im Überblick
Neben einer Einleitung und den Schlussbemerkungen ist das Buch in 8 Kapitel eingeteilt. Sein Aufbau ist gut durchdacht: Erst wird der Rahmen der Geldanlage abgesteckt, dann beschäftigt es sich in 4 Kapiteln mit dem Ölfonds und leitet die norwegische Finanzformel her: Eine Methode für Privatanleger, die den selben Leitlinien folgt. Das heißt konkret, mit ETFs die Portfoliozusammensetzung des norwegischen Ölfonds nachzubilden, breit gestreut und passiv anzulegen, sowie eine Buy-and-Hold Strategie zu verfolgen.
Das Inhaltsverzeichnis:
Einleitung: Vermögensaufbau - aber wie?
Kapitel 1: Keine Panik, sondern Erfolg trotz Finanzkrise
Kapitel 2: Der norwegische Ölfonds, Ihr Vorbild
Kapitel 3: Mal ganz konkret: Welche Papiere der Ölfonds hält und
was Sie daraus lernen sollten
Kapitel 4: Die norwegische Finanzformel
Kapitel 5: Jetzt geht's los - die konkreten Anlageentscheidungen
Kapitel 6: Aber bitte mit Ethik
Kapitel 7: So nicht. Aus Fehlern anderer lernen
Kapitel 8: Irren ist menschlich. Darum legen bisher so wenige
Privatanleger "norwegisch" an
Schlussbemerkungen
Glossar - Links - Literatur - Register
In den letzten 4 Kapiteln geht es dann um die konkrete Umsetzung: welcher Anlagemix, welcher ETF, wie kann man Nachhaltigkeit und Ethik berücksichtigen. Der Autor ist sich auch nicht zu schade, für die Anfänger zu erläutern, wie genau man ein Depot eröffnet und einen Sparplan aufsetzt.
Wie bereits anfangs geschrieben, ist das Buch sehr flüssig und leicht zu lesen. Die Begriffs-Erläuterungen, die Gut-zu-Wissen Einschübe und die zahlreichen Checklisten werden Anfänger sehr zu schätzen wissen. Wenn es um psychologische Fehler und Dinge geht, die man nicht vom norwegischen Ölfonds übernehmen sollte, fällt das Buch aber recht kurz aus. Genau diese Punkte möchte ich ja in den Teilen 2 bis 4 thematisieren.
Erstes Fazit
Mit einer seriöseren Aufmachung hätte Clemens Bomsdorfs Buch wohl das Zeug, zu einem Standardwerk für alle Wissbegierigen zu werden, die sich mit ETFs beschäftigen. Es tritt dabei an gegen 371 Seiten von Prof. Dr. Hartmut Walz Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen* und 440 Seiten von Albert Warnecke Der Finanzwesir - Was Sie über Vermögensaufbau wirklich wissen müssen*.
Wirtschaftjournalist, Professor oder Ingenieur: Sie haben die Wahl, wem Sie ihre Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Der Praktiker hat sich jedenfalls dazu entschieden, genial einfach nicht in den Untertitel seines Buches aufzunehmen!
Die Idee, anhand der Strategie eines institutionellen Anlegers zu lernen, was auch für Privatanleger funktionieren könnte, ist nicht neu. Und die Probleme des aktiven Fondsmanagements aber auch der Portfoliokonstruktion nach Markowitz sind bekannt.
Um darüber etwas zu lesen, müssen Sie aber bisher nach Amerika schauen und englische Finanzbücher in Erwägung ziehen. So hat beispielsweise David F. Swensen nicht nur auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften promoviert, danach 6 Jahre bei Lehman Brothers bzw. Salomon an der Wallstreet gearbeitet, sonden betreut seit 1985 den Yale Stiftungsfonds.
Da haben Sie also einen Theoretiker und Praktiker mit journalistischer Ader, der sehr gute Resultate erzielt und ganz sachliche Titel bevorzugt, um sein Yale Portfolio-Modell vorzustellen: Unconventional Success: A Fundamental Approach to Personal Investment*.
Im zweiten Teil der Rezension wird es um den Erfolg und die Transparenz des norwegischen Ölfonds gehen und wir werden einige Grundaussagen des Buchs hinterfragen. Ich hoffe, das ist für Sie
genauso lehrreich, wie für mich. Sie ahnen schon: der Yale-Stiftungsfonds und andere Staatsfonds sind mit von der Partie.
(c) 2019 Covacoro
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Prof (Donnerstag, 31 Januar 2019 20:45)
Danke für die Buchvorstellung. Über so einen reißerischen Buchtitel kann man trefflich streiten. Es gibt vielleicht auch Leute, die den Titel genau deshalb kaufen.