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Über Risiken und Maximen

Ist es Zeit dem Markt den Rücken zu kehren? (Bild: Kirchentür, Quelle: pixabay.com)

Im letzten Artikel habe ich ja das Buch Skin in the Game* von Nassim Taleb vorgestellt und es hallt in mir immer noch nach.

 

Besonders seine Ausführungen zu Risiko und die am Ende des Buches formulierten Maximen beschäftigen mich.

 

Dazu passend fand ich zwei Artikel im Netz, die eine wunderbare Ergänzung zum Buch sind.

 

Daher heute eine kurze Exkursion zu Risiko und Maximen.

 


Der Lindy-Effekt

 

Das Sprichwort "Alte Besen kehren gut" enthält im Kern eine Aussage, die wir im Alltag allzu oft vergessen: Damit ein Besen alt werden kann, muss er von guter Qualität, also antifragil sein. Oder schnöde: die zukünftige Überlebensdauer einer Sache korreliert mit der bereits bewältigten Lebensdauer.

 

Im Buch widmet Taleb dem Lindy-Effekt ein ganzes Kapitel, eingebettet in die Diskussion, warum Risiken eingehen nur dann zu verurteilen ist, wenn es an "skin in the game" fehlt.

 

Wer eine nett erzählte Geschichte dazu lesen möchte, in der natürlich auch Taleb und Mandelbrot auftauchen, dem sei der Artikel Warum sie bei Fragen auf Leben oder Tod auf Ihre Grossmutter hören sollten empfohlen.

 

Dort wird am Ende auch die Frage gestellt: Kaufen Sie ein Wertpapier, das in den letzten 50 Jahren durchschnittlich 17% Rendite erzielt hat? Darauf würden viele wohl antworten: Ja, wenn ich die weiteren Aussichten positiv einschätze.

 

Wie der Artikel Averages are clean but the results are messy aber zeigt, ist das mit durch-schnittlichen Renditen über lange Zeiträume so eine Sache. Die 17% Rendite liegen ja für meinen Geschmack sowieso jenseits von Gut und Böse auch wenn es natürlich Beispiele gibt.

 

Also etwas mehr Realismus bitte, schauen wir uns die Indizes an, wie es der zweite Artikel tut. Für den Zeitraum 1926 bis 2018 findet man 6.9 Prozent p.a. für Aktien (S&P500) und 2.1 Prozent p.a. für US-Staatsanleihen 5 Jahre.

 

Der Autor Ben Carlson stellt nun die Frage, wie oft ein Investor mit seinem Depot tatsächlich diesen Durchschnitts-Werten nahekommt, wenn er über 1, 5, 10, 20 oder 30 Jahre investiert war. Oder simpler: Wann war er zufrieden?

 

Hier das Resultat, wenn man ein Band von +/- 1 Prozent um die Durchschnittsrendite zulässt:

 

Zeitanteil in Prozent, in der der Investor über 1, 5, 10, 20 oder 30 Jahre mit seinem Portfolio der Langzeit-Durchschnitts-Rendite bis auf +/-1% nahekommt, Quelle: awealthofcommonsense.com
Zeitanteil in Prozent, in der der Investor über 1, 5, 10, 20 oder 30 Jahre mit seinem Portfolio der Langzeit-Durchschnitts-Rendite bis auf +/-1% nahekommt, Quelle: awealthofcommonsense.com

Dass die Renditen auf kurze Sicht stark schwanken, ist intuitiv klar. Was aber eine überraschende Erkenntnis sein dürfte: Selbst bei relativ langem Zeithorizont von 10 oder 20 Jahren lag man nur 12 bis 14% der Zeit im Band von 6 bis 8 % p.a. Rendite mit dem Portfolio.

 

Zitat aus dem Fazit: "Average returns can help set expectations but the actual experience for most investors is anything but average. Even extending your time horizon to double digits doesn’t provide much clarity in terms of actual results versus the long-term averages."

 

Über lange Zeiträume sinkt also nur die Wahrscheinlichkeit, eine negative Rendite zu erzielen signifikant, wie man beispielsweise aus dem Renditedreieck des deutschen Aktieninstituts sehen kann. Ob man aber tatsächlich der Durchschnittsrendite von 7% p.a. nahe kommt, ist und bleibt unsicher.

 

 


Lebensmaximen

 

Taleb verzichtet auf eine Zusammenfassung seines Buches, stattdessen verweist er auf Lindy und schreibt:

 

"When the beard (or hair) is black, head the reasoning, but ignore the conclusion.

When the beard is gray, consider both reasoning and conclusion.

When the beard is white, skip the reasoning, but mind the conclusion."

 

Nassim Nicholas Taleb

 

Daher schließt sein Buch mit Lebensmaximen, die er via negativa Style formuliert, also als eine "Not-to-do-Liste". Anbei meine Übersetzung, die hoffentlich fehlerfrei ist und an diesem verregneten Wochenende zum Nachdenken anregt:

 

Keine

Muskeln ohne Stärke

Freundschaft ohne Vertrauen

Meinung ohne Konsequenzen

Wandel ohne Ästhetik

Alter ohne Werte

Leben ohne Anstrengung

Wasser ohne Durst

Essen ohne Nahrung

Liebe ohne Opfer

Macht ohne Fairness

Fakten ohne Strenge

Statistik ohne Logik

Mathematik ohne Beweis

Unterrichten ohne Erfahrung

Höflichkeit ohne Wärme

Werte ohne Verkörperung

Universitätsabschlüsse ohne Gelehrsamkeit

Militarismus ohne Tapferkeit

Fortschritt ohne Zivilisation

Freundschaft ohne Investition

Tugend ohne Risiko

Wahrscheinlichkeit ohne Ergodizität

Reichtum ohne Ausgesetztsein

Kompliziertheit ohne Tiefe

Gewandheit ohne Inhalt

Entscheidung ohne Asymmetrie

Wissenschaft ohne Skeptizismus

Religion ohne Toleranz

 

und vor allem

nichts ohne Skin in the game.

 

 

(c) 2019 Covacoro

 


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