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Richtig Fehler machen: sich selbst erkennen

Ist es Zeit dem Markt den Rücken zu kehren? (Bild: Kirchentür, Quelle: pixabay.com)

Der ValueDACH Blog hat kürzlich einen Aufruf gestartet, über Investmentfehler zu schreiben. Damit man daraus lernen kann und ein besserer Investor wird.

 

Ganz nett dachte ich, da kann ich aus über 20 Jahren Börsenerfahrung eine lange Liste beisteuern und aus dem Nähkästchen plaudern.

 

 

Doch dann kamen mir Zweifel an dieser Idee. Zum einen habe ich auf diesem Blog in der Rubrik Strategie bereits viele Fehler aufs Korn genommen. Wozu eine Best-of-Liste, wozu Einzelfälle, die ja nur an der Oberfläche kratzen?

 

Andererseits lese ich selbst gern zu Investmentfehlern (Blogs, Bücher, Diplom-Arbeiten und wissenschaftliche Artikel). Wieviel habe ich aus der Lektüre über Fehler anderer oder des "typischen" Investors gelernt?

 

Nach dem Lesen: eigentlich wenig, auch wenn ich diese Denkanstöße brauche.

Nach dem Schreiben eines Artikels oder einer Rezension: etwas mehr.

Am meisten lerne ich aber über Emotionen: Trial and Error, Fehler machen und erkennen!

 

Daher möchte ich heute darüber schreiben, wie man "richtig" Fehler macht. Richtig im Sinne, dass man daraus Nutzen zieht. Und welche Webseiten und Ressourcen es gibt, die dabei hilfreich sind.

 

 


Perfektionismus raus, Langfristigkeit rein

 

Weder der Markt noch ein Einzelner können stets alles richtig machen. Darum sind Fehler wahrscheinlich und unvermeidlich.

 

Also werfen wir gleich zu Anfang diesen unrealistischen Perfektionismus über Bord, der keine Fehler erlaubt. Fehler sind gut, ohne Fehler keine Verbesserung, Fehler sind akzeptabel. Niemand muss ein Genie und fehlerfrei sein, um an der Börse zu investieren.

 

In der Regel erachten wir eine Entscheidung dann als Fehler, wenn sie ungewollte Konsequenzen hat oder wir uns mit ihr nicht wohlfühlen. Beim Investieren wäre das zum Beispiel eine negative Kursentwicklung nach dem Kauf.

 

Diese Sichtweise ist zugleich richtig und falsch. Richtig ist, für seine Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen und wenn die Ergebnisse schlecht sind, den Fehler zuerst bei sich zu vermuten. Falsch ist die Sichtweise aber, wenn der Kurs aus Gründen fällt, die wir nicht vorhersehen konnten. Und das wird immer wieder passieren!

 

Unsere Entscheidung kann also objektiv richtig sein, obwohl das Ergebnis schlecht ausfällt. Weil wir eine solide Analyse durchgeführt haben und entsprechend unserer Kriterien logisch handelten. Idealerweise haben wir sogar verschiedene Szenarien bedacht und sind vorbereitet.

 

Es geht natürlich auch spiegelbildlich: Wir entscheiden uns für den Kauf, da die Informationen über das Management positiv sind und uns die Unternehmensstrategie schlüssig erscheint. Die Aktie steigt und wir glauben, alles richtig gemacht zu haben. Dann erfahren wir von einem Fehlverhalten und wissen im Nachhinein, dass der Fisch vom Kopf stinkt. Wir lagen "richtig" und zugleich daneben.

 

Daraus ergibt sich: Wir können nur den Prozess bewerten, wie wir zu einer Investitions-Entscheidung gelangen, aber nicht das Resultat. Wir müssen trennen, was wir beeinflussen können und was nicht, wir müssen Distanz wahren.

 

Wer also aus den eigenen Fehlern in diesem Sinn lernen will, muss aufschreiben, wie er zu Entscheidungen gelangt. Tut man das nicht, spielt einem die Erinnerung im Nachhinein etwas vor: was man wußte, fühlte oder dachte. Dabei ist es prinzipiell egal, in welcher Form man dokumentiert: Checklisten und Mindmaps haben sich bewährt, Pro- und Kontralisten, Analyse-Sheets und Scoring-Tabellen, egal ob elektronisch oder handschriftlich. Dann kann man auf die Suche gehen, welche Fehler im Prozess passiert sind.

 

An dieser Stelle muss man nicht stehen bleiben.

 

Als zweite Dimension bietet es sich an, nicht nur die Sachgründe und Argumente festzuhalten, sondern auch die Situation in der man sich befindet und die eigene Gefühlswelt. Es ist bekannt, dass sowohl die Risikotragfähigkeit als auch die Entscheidungskraft über den Tag schwanken und mit dem Umfeld und täglichen Routinen beeinflussbar sind. Nicht selten häufen sich Fehler zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Situationen unabhängig vom konkreten Investment.

 

Jede Strategie kann außerdem phasenweise als falsch oder fehlerhaft erscheinen.  Beispielsweise war die Value-Strategie Warren Buffets gegen Ende des 20. Jahrhunderts unter Kritik als die Technologieaktien haussierten. Das war aber kein Fehler, wie man heute weiß, sondern eine Episode.

 

Howard Marks bringt es in folgendem Zitat auf den Punkt:

 

“In addition to superior skill, successful investing requires
the ability to look wrong for a while
and survive some mistakes.”

 

 

 

Die dritte Komponente einer Fehleranalyse - nach einem kritischen Blick auf die eigene Logik und die eigenen Emotionen - ist, sich die Frage zu stellen, wie die Entscheidung aus dem Blickwinkel der Gegenpartei aussieht.

 

Also wenn ich kaufen will: Warum verkauft mir jemand die Aktie zu diesem Preis? Was habe ich übersehen? Wo gibt es Lücken oder Widersprüche in meiner Gedankenkette? Warum handeln beide Parteien rational, die beteiligt sind? Was sind die Beweggründe der Verkäufer?

 

Für Value-Anleger, die oftmals Unternehmen untersuchen, die gerade wirtschaftliche Probleme haben, ist dies besonders wichtig. Letztendlich sollte jeder Fehler, den wir im eigenen Investmentprozess finden, zu einer Konsequenz führen. Ein Update der Checkliste zum Beispiel oder das Einführen von Zeitpuffern zwischen Bewertung von Informationen und der Reaktion darauf. 

 

Wer auf diese Weise konstruktiv mit Fehlern umgeht, wird nicht mehr auf dem Rechthaben beharren, sondern geänderte Situationen akzeptieren und geplatzte Investment-Cases glatt-stellen. Wer anerkennt, dass er selbst falsch lag, kann Verluste begrenzen, bevor sie zu gross werden oder das gesamte Depot gefährden.

 

Alles Punkte, die vielleicht nicht die Rendite steigern, aber zu mehr Gelassenheit beitragen und das Risiko in Schach halten.

 

 


Nützliche Webseiten und Artikel

 

Wann kann man aus einem Fehler lernen? Wenn er nicht katastrophal endet (man also pleite ist) und wenn er analysiert werden kann. Das fällt uns oftmals schwer, weil es Disziplin erfordert und darum möchte ich ein paar Webseiten und Artikel empfehlen, die dazu Anstöße geben.

 

Ein Pflichtprogramm ist es, die möglichen kognitiven Fehler oder Verzerrungen zu kennen. Dazu wird man beispielsweise auf der Webseite des PsyFi Blogs (in Englisch) fündig oder kann ein Buch von Gigerenzer oder Kahnemann zur Hand nehmen.

 

Dann sollte man sich unbedingt mit der eigenen Risikotragfähigkeit beschäftigen. Sie ist über die Zeit nicht konstant, daher ist ein regelmäßiger Test, wo man gerade steht, angebracht. Eine gute Alternative dafür ist das kostenlose Tool von der Uni Mannheim.

 

Will man tiefer graben, sind die Persönlichkeits-Tests auf der Seite Marketpsych.com empfehlenswert. Sie sind bereits recht detailliert und untersuchen verschiedene Persönlich-keitsmerkmale. Auch hier mein Rat: Weniger stark auf die absoluten Zahlen und das Scoring achten, als viel mehr auf die Änderungen im Zeitverlauf. Wer zum Beispiel bei Disziplin und Impulskontrolle kontinuierlich Fortschritte macht, ist auf dem richtigen Weg.

 

Nutzen Sie also das Wissen um Fehler und diese Tests, um über das eigene Verhalten zu reflektieren und sich selbst besser zu verstehen. Verlieren Sie die Furcht vor Fehlern!

 

Last but not least noch einige Artikel-Empfehlungen aus dem Blog:

 

 

(c) 2019 Covacoro


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Kommentare: 1
  • #1

    Geldfrau (Freitag, 19 April 2019 16:51)

    Moin Hans-Jürgen,
    Danke mal wieder für deine Anregung, nehme ich mit. Ich schreibe mir ja generell auf, warum ich mich für welches Investment entscheide, und welches es nicht in mein Depot schafft. Und meine Anlagestrategie habe ich auch mit der Hand niedergeschrieben.
    Das lässt sich also problemlos erweitern ... probier ich!
    Liebe Grüße schickt Dir
    Dani