Anfang Februar erschien hier im Blog der Artikel "Die Rezession ist längst da". Mehr als 8 Monate später tritt nun ein, was zu befürchten war.
Zahlreiche Indikatoren der wirtschaftlichen Aktivität schwächen sich ab und insbesondere gilt das auch für die Produktion in und die Nach-frage aus China.
OECD, Internationaler Währungsfonds und Weltbank: Alle stoßen im Herbst 2019 ins gleiche Horn und prognostizieren deutlich schwächeres weltweites Wachstum.
China's Industrieproduktion wuchs in den letzten Monaten schwächer als im Herbst 2009
Source: tradingeconomics.com
China's BIP-Wachstum (Quartalsdaten): seit Anfang 2018 im Rückwärtsgang
Source: tradingeconomics.com
Am Tipping Point
Von einer weltweiten Rezession mag noch niemand sprechen, stattdessen werden die Prognosen scheibchenweise gekürzt: ein bekanntes Muster.
Die Handelskonflikte USA-China, Südkorea-Japan und Europa-USA verschärfen sich im Detail. Internationale Institutionen, wie die WTO, befeuern die Probleme, statt zu deeskalieren und zu vermitteln.
Die Entscheidung vom 2.Oktober gegen Airbus beispielsweise fiel vor dem Hintergrund, dass gegen Boeing seit 2008 ein ähnliches Verfahren anhängig ist. Nach 15 (in Worten: fünfzehn) Jahren Verfahrensdauer dürfen nun die USA Zölle in Höhe von 7.5 Mrd. US$ verhängen.
Die Fakten liegen seit langem auf dem Tisch. Beide Seiten spielen das gleiche, unfaire Spiel und dominieren den Markt für zivile Flugzeuge. Wenn die WTO jetzt eine Seite bestraft, das zugehörige zweite Verfahren aber offen läßt, trägt sie nicht zu gerechteren Verhältnissen bei.
Stattdessen fühlen sich die USA bestätigt und nutzen den Punktsieg, um weiterhin jeden Handelspartner als Gegner und Dieb darzustellen, bessere Deals zu fordern. Die EU ihrerseits wird ebenfalls nichts an ihrer Politik ändern - mit Verweis auf die laufenden Verfahren gegen Boeing, Google, Apple & Co.
Wieviel Konfrontation und Kurzsichtigkeit, wieviel Protektionismus und Populismus darf man zukünftig noch erwarten? Wieviel verkraftet die Weltwirtschaft bis ein Tipping Point erreicht ist, und sie wirklich Schaden nimmt? Vielleicht sollte man ja Politiker und Bürokraten zwingen, ihr ökonomisches Wissen aufzufrischen, warum Kooperation sinnvoll ist?
Mein Tipp dazu: unter dem folgenden Link wird es ganz simpel erklärt. Sogar Politiker ohne Ökonomieabschluss verstehen diese Animation: https://www.farmersfable.org/ oder wer es technischer mag, kann hier die Forschungsergebnisse nachlesen: http://lml.org.uk/research/economics/.
Ähnlich wie beim Klima, bei der Erwärmung der Ozeane und der Atmosphäre, kann niemand vorhersagen, wann genau ein Punkt einritt, wo sich der Modus Operandi grundsätzlich ändert. Relativ sicher ist aber, dass je instabiler ein System wird, je öfter man es an seine Grenzen belastet, desto wahrscheinlicher wird es passieren.
Als Investor in Unternehmensbeteiligungen können wir uns darauf einstellen, dass das Risiko und die Unfälle zunehmen. Wenn Kooperation abnimmt, oder neudeutsch deglobalisiert wird, werden alle zukünftig kleinere Brötchen backen. Oder ganz deutlich: weniger Handel, weniger Nachfrage, schrumpfende Bruttoinlandsprodukte und Gewinne.
Ausserdem dürfte in einem solchen Markt, gepaart mit der immer weniger hilfreichen Niedrig-Zins-Politik der Zentralbanken, der Risikoappetit der Teilnehmer nach und nach abnehmen. Man glaubt es kaum, aber es sieht fast so aus, als hätte niemand aus dem Japan-Szenario gelernt. Und der Autor dieser Zeilen ist normalerweise kein Pessimist und hielt bis vor einigen Monaten das Szenario Eiszeit in der Weltwirtschaft für wenig wahrscheinlich.
Vielleicht hatte Stelter 2016 bereits Recht, als er weniger optimistisch war. Was er auch nicht voraussehen konnte und was in seinem Buch daher nicht vorkommt, ist, dass sich 2019 die Diskussion zum Klimawandel zuspitzen würde. In seiner 51.Session veröffentlichte das IPCC kürzlich den Report zur Situation der Ozeane und der Cryosphäre. Ich habe wesentliche Teile selbst gelesen, weil ich wissen wollte, ob er verständlich und klar ist. Nun ja, viele Details und Definitionen erschweren manchmal den Blick auf das Wesentliche:
Das selbst die optimistischen Szenarien wenig erfreulich ausfallen. Das im Moment sich die verschiedenen Verursacher und Lager die Verantwortung gegenseitig zuschieben, statt zu kooperieren und sinnvoll zu handeln. Und da schließt sich der Kreis zur Bauernfabel, die Sie sich anschauen sollten, wenn Sie es bis hierher nicht getan haben, egal wie ernst Sie das Thema Klimawandel einschätzen: https://www.farmersfable.org/!
Fazit
Drei Botschaften sollten Sie nach Lesen des Artikels mitnehmen:
- Das Szenario Eiszeit in der Weltwirtschaft ist aufgrund der letzten Handlungen von Politik und Institutionen wahrscheinlicher geworden. Statt einer typischen Rezession steht uns vielleicht ein scheibchenweises Downsizing bevor.
- Genauso wie beim Klimawandel leugnet die Mehrheit, dass Kooperation und Solidarität nötig sind, um die wirtschaftlichen und ökologischen Probleme weltweit zu bewältigen. Dazu müßte der Bauer mit der guten Ernte von sich aus teilen und das Paradigma des Neoliberalismus, die unsichtbare Hand, auf den Müllhaufen der Geschichte.
- Es erscheint nur eine Frage der Zeit, bis es den Finanzmärkten und seinen Spielern klar wird, dass eine höhere Risikoprämie und niedrigere Bewertungen jetzt und heute gerechtfertigt sind.
Das spricht nicht gegen die Investition in Sachwerte, erst recht nicht, wenn es mit einem langfristigen Zeithorizont geschieht. Aber es spricht für Vorsicht, dafür, gerade jetzt beim Investieren auf eine Sicherheitsmarge und solide Bilanzen zu achten.
(c) 2019 Covacoro
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Prof (Dienstag, 08 Oktober 2019 13:12)
Danke für die interessante Grafiken, die uns illustrieren, dass es mit der Konjunktur abwärts geht. Besonders bedenklich finde ich das BIP - Wachstum in China. Die Ursache nur im Brexit oder dem Handelsstreit zu suchen, ist vielleicht etwas zu eng gegriffen: Nach 10 Jahren Aufschwung, der durch eine noch nie dagewesene Zinssenkung begleitet wurde, kann es doch auch einfach mal wieder eine Rezession geben. Das Dosis des süßen Giftes der Zinssenkung müsste auch permanent verstärkt werden, um ihre Wirkung für die Konjunktur weiterhin ausüben zu können.
Und: Klimarettung kostet, vor allem beim Musterschüler Deutschland.
Covacoro (Donnerstag, 10 Oktober 2019 18:33)
Hier ein Artikel der HZ betreffend WTO und Airbu vs. Boeing:
https://www.handelszeitung.ch/konjunktur/boeing-und-airbus-der-flugzeug-crash?