Rezension: Project Mind Control

Wie sorgfältig der Autor und seine zahlreichen Helfer an der Brown-University in Boston über Jahre recherchiert haben, sieht man schon daran, dass die Anmerkungen und das Literatur-verzeichnis als Buch im Buch bezeichnet werden können. Ganze 60 Seiten nehmen diese Erläuterungen und Quellen ein.

Als roter Faden dient die Biografie von Sidney Gottlieb, ein Charakter, der als Mischung aus Frankenstein, Mephisto und Albert Hirsch daherkommt. In 16 Kapiteln und 280 Seiten wird rekonstruiert, wann, wie und wo der amerikanische Geheimdienst beim Versuch, das Bewußtsein von Menschen zu kontrollieren, über jegliche Grenzen hinausging.

Das Buch ist sicher kein leichter Lesestoff. Manche Geschichten sind schmutzig, inhuman und abstoßend. Aber Sidney Gottlieb ist keineswegs nur "eine obskure Fußnote" in der Geschichte der USA (Zitat aus einem Nachruf in der Washington Post), sondern ein Beamter und Wissenschaftler unter vielen, die unter dem Mantel geheimdienstliche Tätigkeit vor nichts zurückschrecken.

Der Kapitel-Überblick:

• Kapitel 1: Ich brauchte eine größere Herausforderung
• Kapitel 2: Ein schmutziges Geschäft
• Kapitel 3: Willige und unwillige Probanden
• Kapitel 4: Das Geheimnis zur Entschlüsselung des Universums
• Kapitel 5: Das Bewußtsein wird ausgeschaltet
• Kapitel 6: Es ist untersagt, sich in irgendeiner Hinsicht in das Projekt MK-ULTRA einzumischen
• Kapitel 7: Gefallen oder gesprungen
• Kapitel 8: Operation Midnight Climax
• Kapitel 9: Der göttliche Pilz
• Kapitel 10: Der Ausschuss zur Gesundheitsmodifizierung
• Kapitel 11: Vergessen wir nie, der CIA zu danken
• Kapitel 12: Das sollte mit uns sterben
• Kapitel 13: Einige unserer Leute waren damals außer Kontrolle
• Kapitel 14: Ich fühle mich als Opfer
• Kapitel 15: Sollte Gottlieb schuldig gesprochen werden, wäre es ein echtes Novum
• Kapitel 16: Ihr könnt nie wissen, was er war
• Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Danksagungen, Register

Der Klappentext verrät, womit man es zu tun bekommt: Geheimgefängnisse, Foltermethoden, Drogen, Attentate, Gehirnwäsche. Keine Verschwörungstheorien sondern die Suche nach Personen, Orten, Berichten und Belegen. Alles, was Licht ins dunkle und bis heute nicht enden wollende Kapitel mit der Überschrift Experimente am Menschen.

Als Rezensent könnte man geneigt sein, besonders spektakuläre Ereignisse oder Gescheh-nisse in den Vordergrund zu stellen. Aber dieses Buch verdient keinen "Spoiler". Man muss durch diese 280 Seiten waten, um zu ermessen, wie tief und schmutzig der moralische Sumpf ist, den auch bundesdeutsche Politiker in der BRD duldeten.

Und ich war geneigt, mit Sven Regener ausrufen: "Finger weg von meiner Paranoia, die war mir immer lieb und teuer. Nie ließ sie mich so kalt im Stich wie du. Einer hält den Spaten und zwei schau'n ihm beim Halten zu."

Denn das diese Experimente am Menschen möglich waren (und sind?), dazu bedarf es eben nicht nur Idee, Plan und finanziellen Mitteln. Sondern auf jeden Täter kommen eine Vielzahl von Zuschauern, Wegschauern und Vertuschern. Das wird klarer und klarer mit jeder Seite des Buches.

Darum ist man Ende vielleicht desillusioniert und wütend. Habe ich doch immer gewußt! Die Filme bleiben hinter der Wirklichkeit zurück! Habe ich von ... nicht anders erwartet! Ich hoffe aber auch: unversöhnlicher gegen Wegschauen, mutiger und menschlicher. Und darum sollte man dieses Buch lesen, nicht um Vorurteile bestätigt zu finden.

(c) 2020 Covacoro

Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf.

Aber wer sie weiß, und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!

Bertolt Brecht

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